Arbeitsmarktreform Von Versöhnung keine Spur

Der Streit zwischen Regierung und Gewerkschaften über Hartz IV konnte auch bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt nicht beigelegt werden. Derweil erneuerte Oskar Lafontaine seine Kritik am Reformkurs.

Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat die von führenden Politikern seiner Partei erhobene Forderung nach einem Parteiaustritt abgelehnt. "Ich kämpfe innerhalb der SPD für einen Kurswechsel", sagte Lafontaine am Dienstagabend im ZDF. Auch bei der Landtagswahl am Sonntag im Saarland habe er "selbstverständlich die SPD gewählt", sagte Lafontaine, dem die Bundespartei eine Mitschuld am schlechten Abschneiden bei der Landtagswahl gegeben hatte. Eine Aufsplitterung der Linken sei immer schlecht, sagte der frühere SPD-Chef und langjährige saarländische Ministerpräsident.

"Keule rausgeholt"

Sein inmitten des Saar-Wahlkampfs geführtes "Spiegel"-Interview, in dem er die Drohung geäußert hatte, möglicherweise eine neue Linkspartei zu unterstützen, nannte Lafontaine überzogen. "Das war ein Dreh zu viel,... da habe ich die Keule rausgeholt", sagte Lafontaine. Der nach nur einem halben Jahr 1999 abrupt zurückgetretene Finanzminister bekräftigte seine Forderung nach einem radikalen Kurswechsel der Partei und einer Abkehr von der Reformpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er setze darauf, dass sich die jüngere Generation um den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel oder den saarländischen Spitzenkandidaten Heiko Maas mit ihren Positionen innerhalb der Partei durchsetzten.

Ausweichend äußerte Lafontaine sich dazu, ob er an der Spitze einer Linkspartei Politik machen werde: Ändere sich nichts grundlegend an der Politik der SPD, werde es diese Partei geben, sagte er lediglich. Lafontaine bekräftigte seine bei der Leipziger Montagsdemonstration vor einer Woche geäußerten Vorwurf des Wahbetrugs der rot-grünen Regierung. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe vor der Wahl eine andere Politik versprochen, als er sie nach dem Sieg umgesetzt habe.

Die SPD-Spitze hatte Lafontaine eine Mitschuld an den Verlusten von 13,5 Prozentpunkten bei der Saar-Wahl am Sonntag gegeben und ihn indirekt aufgefordert, von sich aus die Konsequenzen aus seiner Fundamentalkritik am Kurs Schröders zu ziehen. So hatte der stellvertretende Parteichef Kurt Beck erklärt, als ehemaliger Parteichef wisse Lafontaine, was er tun müsse. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter hatte erklärt, Lafontaine werde nicht mehr ernst genommen.

Treffen mit Schröder als Erfolg gewertet

Unterdessen hat IG-Metall-Chef Jürgen Peters das Spitzengespräch der Gewerkschaften mit Bundeskanzler Gerhard Schröder als Erfolg gewertet und von einer positiven "neuen Qualität" der Auseinandersetzung über die Reformpolitik gesprochen. Peters regte an, schon jetzt über absehbare Probleme bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV zu sprechen und Lösungen zu entwickeln.

Zwar machten sich die Gewerkschaften weiterhin größere Sorgen als die Regierung darüber, welche Folgen Hartz IV für die Menschen haben werde, sagte Peters am Mittwoch in der ARD. "Aber dass wir die Bereitschaft gesehen haben, auch von der Regierung, über die Folgen darüber zu reden und dann Lösungen zu suchen, das ist, glaube ich, schon eine neue Qualität, das will ich ausdrücklich auch sagen." Über die ersten Erfahrungen mit Hartz IV würden Regierung und Gewerkschaften im Februar sprechen. "Ich empfehle uns, das habe ich gestern auch gesagt, dass wir uns im Vorfeld schon darüber unterhalten, was kann man eventuell im Hinblick auf die Folgen jetzt schon als (...) Auffanglinie aufbauen." Dabei gehe es etwa um die Frage der Zumutbarkeit einer Arbeit oder von Härtefallregelungen. "Ich denke, dass wir da, zumindest nehme ich das so mit, eine Bereitschaft haben, miteinander zu reden."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Gewerkschaften über Hartz IV waren auch bei dem Spitzengespräch am Dienstag nicht ausgeräumt worden. Harsche Kritik aneinander übten beide Seiten im Gegensatz zu manch früheren Gesprächen aber nicht. Schon im Vorfeld des Treffens hatten Schröder und Gewerkschaftsführer die Bereitschaft erkennen lassen, den Streit über die Hartz-IV-Reform zumindest atmosphärisch zu entschärfen. Beim letzten Treffen von Schröder mit Gewerkschaftsführern im Juli war es zu einem lautstarken Wortwechsel zwischen Schröder und DGB-Chef Michael Sommer gekommen.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters