Angekündigter Rückzug Er hatte Nehmerqualitäten wie Rocky Balboa, jetzt kommt Armin Laschet seinem eigenen K.o. zuvor

Armin Laschet presst die Lippen zusammen mit gesenktem Blick
Abgang in Eigenregie: CDU-Chef Armin Laschet will den Neuanfang in seiner Partei selber moderieren.
© Tobias Schwarz / AFP
Dass es mit ihm nicht weitergeht, hat Armin Laschet nun verinnerlicht. Der CDU-Chef will seinen Abgang nach äußerst unglücklicher Zeit selbst moderieren. Wird ihm seine Partei das gewähren? Die Presse-Kommentatoren bezweifeln das.

Armin Laschet bleibt angesichts der Selbstzerfleischung der CDU, die durch seine krachende Wahl-Niederlage so richtig befeuert wird, nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen. Dass er das gewohnt zaghaft tut, dass er sich immer noch ein wenig die Hintertür Jamaika-Koalition offen lässt und dass er den Neuanfang seiner Partei selber "moderieren" will, wird ihn nicht davor schützen, als der wohl größte Unglücksvogel in die CDU-Geschichte einzugehen. So bewerten die Kommentatoren Laschets Rückzugs-Ankündigung.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Laschet versucht nun, wenigstens die Kontrolle über seinen Abgang zu behalten. Ob ihm die Partei diese Möglichkeit zur Gesichtswahrung lässt? Das wird vor allem von den Kalkulationen jener abhängen, die sich Hoffnungen auf das Amt des CDU-Vorsitzenden machen. Ob einer von ihnen glaubt, dank Laschets erklärter Opferbereitschaft doch noch Kanzler einer Jamaika-Koalition werden zu können? Vermutlich wird keiner erpicht sein auf die "Moderation" eines Politikers, den die eigene Partei und die CSU als Versager abgestempelt haben. Völlig klar und überzeugend war auch dieser Auftritt Laschets nicht. Doch wenigstens lässt die Schockstarre der CDU nach. Der Prozess der personellen Erneuerung, die den Neuanfang sichtbar markieren soll, ist angelaufen. 

"Kölner Stadt-Anzeiger": Der scheidende CDU-Chef Armin Laschet galt als Rocky Balboa der deutschen Politik. Wegen seiner Nehmer-Qualitäten ist er immer wieder mit dem von Sylvester Stallone verkörperten Boxer Rocky verglichen worden. Nun hat Laschet seinen Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt, bevor er von den eigenen Parteifreunden k.o. geschlagen auf den Brettern liegt.

"Der Spiegel": Armin Laschet wird als der politische Unglücksvogel seiner Partei in die Geschichte eingehen – egal, ob das nun gerechtfertigt ist oder nicht. Der Nochvorsitzende hat sogar angekündigt, einer Jamaika-Option als möglicher Kanzler nicht mehr im Wege zu stehen, obschon Laschet bis zuletzt so getan hatte, als wäre er der Garant für das Zustandekommen eines solchen Bündnisses.

"Badische Zeitung": Laschet hofft, einen Konsenskandidaten als Nachfolger zu finden, den dann ein Bundesparteitag nur noch absegnen würde. Mit Verlaub: Das wäre die sicherste Methode, die überfällige Kursbestimmung erneut zu vertagen. Geschähe dies, kreiste die Union wohl noch lange vorzugsweise um sich selbst. Für die Zukunft dieser einst stolzen Volkspartei wäre das verhängnisvoller als jede Hinterfotzigkeit aus Bayern.

Armin Laschet: Selbst im Rückzug noch der Uneindeutige

"Hannoversche Allgemeine Zeitung": Auch wenn Armin Laschet an der Wahlniederlage der Union einen großen Anteil hat, so gelingt ihm ein selbstbestimmter Abgang in Würde, bevor ihn andere vom Hof jagen. Laschet will den Übergang für eine Neuaufstellung der Partei moderieren. Er will weitere Kampfkandidaturen um den Parteivorsitz vermeiden. Wenn ihm das glücken sollte, so wird sein letzter Dienst an der Partei zu einem großen Dienst. Denn die CDU ist derzeit in einer fürchterlichen Verfassung.

"Schwäbische Zeitung": Dass Armin Laschet als Kanzler geeignet ist, daran haben von Anbeginn seiner Kandidatur die meisten gezweifelt – sogar innerhalb der Union. Mittlerweile scheint sogar ihm selbst klar geworden zu sein, dass er nicht zum Hoffnungsträger taugt. Selbst im Rückzug bleibt er seiner Linie des Uneindeutigen treu. Es nötigt beinahe Respekt ab, was der gescheiterte Kandidat der Union an Kritik von außen, Indiskretionen von innen und Gegenwind von allen Seiten ausgehalten hat, ehe er bereit war, nun endlich persönliche Konsequenzen zumindest anzudeuten. Doch diese außergewöhnliche Leidensfähigkeit, die in anderen Situationen auch eine Stärke sein könnte, ist symptomatisch für die Krise der CDU. Ob eine Jamaika-Koalition noch im Sinne der gebeutelten Christdemokraten ist, kann bezweifelt werden. Die Partei benötigt dringend eine personelle Erneuerung. Doch auch inhaltlich bedarf die CDU nach der Ära Merkel wieder eines klaren konservativen Profils. In der Opposition lässt es sich besser schärfen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der "eigenartigste Auftritt" unter den eigenartigen Auftritten

"Pforzheimer Zeitung": Es ist der vielleicht eigenartigste Auftritt von Armin Laschet in diesem Jahr, das an eigenartigen Laschet-Auftritten ganz gewiss nicht arm ist. Glaubt er, glaubt die CDU ernsthaft, bis zum Dezember so weitermachen zu können? Die Machtkämpfe werden umgehend starten, sie werden brutal sein. Doch die Hoffnung, noch irgendwie eine Koalition schmieden zu können, lässt keinen Platz für Vernunft. Nicht bei Laschet, nicht im CDU-Vorstand. Anstatt einen klaren und schnellen Schnitt zu machen, sich auf einen Neuanfang in der Opposition vorzubereiten und anzuerkennen, dass alles auf den Prüfstand muss – und das sofort – kleben Laschet und die Partei noch an der kleinsten Machtoption. Nein, dieser CDU kann niemand das Land anvertrauen. Gut möglich, dass dieser verheerende Eindruck aus dem Herbst 2021 noch lange an der Partei hängenbleibt. Länger als vier Jahre.

"Neue Osnabrücker Zeitung": Die Führungsgremien der CDU haben versagt. Jetzt lassen sie Laschet im Regen stehen. Er hat nun das dringende Signal an Mitglieder und Wähler gesendet: Wir haben verstanden. Er will die Neuaufstellung der Partei moderieren, sogar einem Jamaika-Bündnis ohne ihn nicht im Weg stehen. Für ihn, der sein Leben der Politik widmete und der nun womöglich alles verliert, ist das ein harter Schritt, der Respekt verdient. Einfach wird die Neuaufstellung nicht. Bereits geistern altbekannte Namen durchs Regierungsviertel. Es ist allerdings fraglich, ob mit einem Jens Spahn, einem Norbert Röttgen oder einem Friedrich Merz ein Neuanfang möglich ist. Was die CDU nicht braucht: einen neuen Vorsitzenden, der nur aufs Kanzleramt schielt. Was gebraucht wird: eine bürgerlich-konservative Kraft der Mitte.

"Berliner Zeitung": Der Union droht nach der "Ära Laschet" der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Sie könnte eine ähnliche Entwicklung nehmen wie die Christdemokraten in Italien, die jahrzehntelang den politischen Kurs in Italien bestimmt haben. Nach vielen legendären Ministerpräsidenten löste sich die Democrazia Cristiana nach einem verheerenden Korruptionsskandal auf. Es ist also möglich, dass eine Partei, die scheinbar zum demokratischen Inventar eines Landes gehört, auch einmal verschwindet. Nun haben die diversen Masken-Affären, die Amthor-Affäre und die Verstrickungen vor allem aus dem CSU-Umfeld in den Wirecard-Skandal zwar nicht die Dimension der italienischen Enthüllungen. (...) Doch selbst Laschet muss sich vorwerfen lassen, dass er die Partei unter moralischen Gesichtspunkten nicht auf einen Erneuerungskurs bringen konnte, weil er nicht verhindert hat, dass Familienmitglieder von politischen Entscheidungen profitierten, als Laschet Ministerpräsident in NRW war.

Video: Laschet kündigt schrittweise CDU-Neuaufstellung an
Laschet kündigt schrittweise CDU-Neuaufstellung an

"Laschet sollte den Weg sofort frei machen"

"Leipziger Volkszeitung": Hinter Laschet zeichnet sich bisher nicht die Zukunft einer Partei ab, die in vier Jahren erstarkt wieder das Kanzleramt erobern könnte. Aktuell sind da vor allem Uneinigkeit, Machtkämpfe und Zerstörung zu sehen. Nachdem die CDU am Ende der Ära Merkel zweimal ihre neue Parteiführung durch spaltende Kampfkandidaturen ausgetragen hat, könnte der dritte Wechsel an der Parteispitze in nur drei Jahren die Christdemokraten weiter im Strudel nach unten reißen.

"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): Dieser Sturz war zum Schluss keine Überraschung mehr, aber er bleibt atemberaubend. Im Januar wurde Armin Laschet zum Vorsitzenden der CDU gewählt, im April zum Kanzlerkandidaten der Union. Er hatte gute Chancen, Angela Merkel zu beerben und von der Düsseldorfer Staatskanzlei ins Berliner Kanzleramt zu wechseln. Am Ende dieses Jahres wird er weder Parteivorsitzender sein noch nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, weder Kanzler noch Oppositionsführer in Berlin. Der Politiker Laschet ist gescheitert, und er scheitert sogar im Abgang. Das gibt seinem Sturz eine tragische Note. Mit einer Erklärung an diesem Donnerstagabend bestätigte Laschet das Urteil, das die Geschichte über ihn fällen wird: Er wurde gewogen und für zu leicht befunden.(...) Dem Menschen und Bundestagsabgeordneten Armin Laschet kann man nur alles Gute wünschen - und wenigstens im Abgang den Mut zur Größe. Er sollte den Weg jetzt frei machen und sich von allen Führungsämtern zurückziehen.

DPA
dho