Reaktion auf stern-Recherchen Politiker fordern die Auslieferung von Attila Hildmann: "Totalversagen" der Generalstaatsanwaltschaft

Ein dunkelhaariger junger Mann spricht offenbar wütend in ein Mikro mit rotem Windschutz
Attila Hildmann (Archivbild): Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz hält ihn für "hochgefährlich"
© Tobias Schwarz / AFP
Nachdem eine stern-Reporterin gemeinsam mit Hobby-Detektiven Attila Hildmann in der Türkei aufgespürt hat, sprechen sich nun Politiker fast aller Fraktionen für dessen Auslieferung aus.

Nachdem es dem stern gelungen ist, den rechtsextremen ehemaligen Koch Attila Hildmann in der Türkei aufzuspüren, fordern nun mehrere Bundespolitiker der Opposition und der Regierungsparteien die Auslieferung Hildmanns.

"Natürlich muss die Staatsanwaltschaft die Auslieferung beantragen", sagte Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Linken, dem stern. Da nun bekannt sei, dass Attila Hildmann ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, müsse sich auch Justizminister Marco Buschmann darum bemühen, dass Hildmann keine antisemitische Hetze mehr verbreiten darf. "Das Justizministerium hat sich viel zu lange einen schmalen Fuß gemacht", so Renner. Deutschland sei verpflichtet, Antisemitismus zu bekämpfen.

Auch Michael Breilmann, Sprecher der Unions-Fraktion für Politischen Extremismus und Antisemitismus, fordert Konsequenzen. "Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich und mit großem Nachdruck ein Auslieferungsgesuch stellen und die Überstellung aus der Türkei nach Deutschland betreiben, um einen der schlimmsten antisemitischen Hassprediger einem rechtsstaatlichen Verfahren zuzuführen", sagte er dem stern.

"Totalversagen" der Generalstaatsanwaltschaft?

Der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wirft Breilmann "Totalversagen" vor. Es sei ein "handfester Skandal", dass die Behörde fälschlicherweise angenommen habe, dass Attila Hildmann durch eine türkische Staatsbürgerschaft geschützt sei.

Nicht nur die Opposition, sondern auch Politiker der Regierungsfraktionen äußern sich kritisch. Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz hält Attila Hildmann und sein Unterstützerfeld für "hochgefährlich". Der bisherige Umgang mit seinem Fall habe "das weitgehende Unvermögen staatlicher Stellen offenbart, sich der Problematik mit der notwendigen rechtsstaatlichen Entschlossenheit anzunehmen."

Die deutschen Behörden müssten nun "endlich entschlossen Handeln und die umgehende Auslieferung von Hildmann beantragen." Von dem prominenten Fall gehe eine ehebliche Signalwirkung aus, daher sei es überfällig, dass Behörden und politisch Verantwortliche die Wehrhaftigkeit der Demokratie endlich dokumentierten.

"Schnellstmöglich der deutschen Justiz zuführen"

Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen forderte gegenüber dem stern, dass jetzt "sofort alle Register gezogen werden", um Hildmann "schnellstmöglich der deutschen Justiz zuzuführen."

Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, erwartet, "dass die zuständigen Stellen alle Hebel in Bewegung setzen, damit Atilla Hildmann nach Deutschland ausgeliefert wird." Kuhle sieht die Verantwortung dafür vor allem bei der zuständigen Staatsanwaltschaft.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Kai Wegner, Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus wirft der Berliner Justizsenatorin "falsche Prioritätensetzung" vor. "Hildmann wurde mehrfach festgenommen, dann vor der bevorstehenden Verhaftung gewarnt, konnte sich in die Türkei absetzen und sich dort bis heute der Strafverfolgung entziehen. Die Justizsenatorin muss darlegen, wie solche Versäumnisse in Zukunft verhindert werden können", sagte er dem stern. Die Berliner Strafverfolgungsbehörden müssten personell und technisch besser ausgestattet werden.

Attila Hildmann in der Türkei aufgespürt

Hintergrund der Äußerungen sind Recherchen des stern. Einer stern-Reporterin war es nach wochenlanger Suche gelungen, den genauen Aufenthaltsort von Attila Hildmann in der Türkei ausfindig zu machen. Dorthin hatte sich der ehemalige Koch schon vor Monaten abgesetzt. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft sucht ihn mit einem internationalen Haftbefehl. Die Ermittler werfen im Volkverhetzung, Bedrohung und andere Delikte vor.

Attila Hildmann Porträt
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© murat bay/stern
In der Türkei aufgespürt: stern-Reporterin schildert lange Jagd nach Attila Hildmann

Attila Hildmann ist Autor zahlreicher Kochbuchbestseller. In Berlin betrieb er zwei vegane Imbisse. In der Corona-Pandemie fiel Hildmann durch rechtsextremistische und antisemitische Äußerungen auf.

Bereits in der vergangenen Woche hatte der stern aufgedeckt, dass Attila Hildmann entgegen anderslautender Behauptungen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft keine türkische Staatsbürgerschaft besitzt und somit nach Deutschland ausgeliefert werden dürfte.