Der innenpolitische Streit um eine Sonderposition Deutschlands bei einem möglichen Krieg der USA gegen den Irak hat an Schärfe zugenommen. Union und FDP attackierten am Wochenende den von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angekündigten »deutschen Weg« und forderten stattdessen eine Außenpolitik im gesamteuropäischen Rahmen. Schröder schloss eine Beteiligung der Bundesrepublik an einem möglichen Krieg gegen den Irak erneut definitiv aus. »Das ist so, und die (Aussage) gilt und die bleibt. Davon ist nichts abzustreichen«, sagte Schröder in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«.
Bundeswehrführung und Diplomaten in Berlin äußerten sich nach einem Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Sonntags-Zeitung« »äußerst verwundert und verärgert« über die von Schröder und anderen SPD-Politikern begonnene Debatte und wiesen auf Wahlkampf-Methoden hin. Der militärischen Führung und der NATO lägen keine Informationen über konkrete Planungen der USA für Militärschläge gegen den Irak vor. Zudem sei die Behauptung des Kanzlers falsch, dass die Verteidigungsminister der NATO-Staaten schon bei einem Treffen vom 23. bis 25. September in Warschau eine Vorentscheidung über einen Einsatz gegen den Irak treffen müssten.
US-Präsident George W. Bush sagte am Samstag an seinem Urlaubsort in Texas, er habe keinen Zeitplan für die Entscheidung über einen möglichen Militärschlag gegen den Irak. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnte Schröders Position entschieden ab. »Ich halte die Aussage des Kanzlers, dass es einen deutschen Weg geben müsse, für falsch«, sagte sie der »Welt am Sonntag«. FDP-Chef Guido Westerwelle betonte, im Fall einer Regierungsbeteiligung wolle seine Partei einen deutschen Sonderweg nicht mitgehen. Die PDS warf der Bundesregierung Unglaubwürdigkeit vor. Das »Nein« der Regierung zu einer deutschen Beteiligung müsste vom Rückzug der Spürpanzer aus Kuwait und dem Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan begleitet sein, sagte der Vorsitzende der PDS- Bundestagsfraktion, Roland Claus, im Deutschlandfunk.
Otto Schily: »Stoiber versucht sich durchzuwinden«
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) forderte im Gegenzug den Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU) auf, zu einem möglichen Krieg gegen den Irak Stellung zu nehmen. »Stoiber versucht sich durchzuwinden. Von ihm erhält man nie eine klare Aussage«, sagte er dem »Münchner Merkur«
Schröder wies Vorwürfe, seine ablehnende Haltung zu einem Krieg gegen den Irak widerspreche der zugesagten uneingeschränkten Solidarität mit den USA. Das Solidaritätsversprechen habe sich auf die Beistandspflicht gegenüber einem angegriffenen Freund bezogen, sagte er in einem Interview der Arbeitsgemeinschaft deutscher Regionalzeitungen (Samstag). Das bedeute jedoch nicht, Kritik zu verschweigen, wenn Prioritäten falsch gesetzt würden. »Und das ist im Irak der Fall.«
Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) warf der SPD und Schröder »Deutschtümelei« vor. Dem Nachrichtenmagazin »Focus« sagte er: »Wenn die SPD im Zusammenhang mit der Außen- und Sicherheitspolitik diesen Begriff (deutscher Weg) wählt, so ist das alarmierend.« Der Begriff stehe historisch »gegen den gemeinsamen europäischen Weg, mit dem wir das Vertrauen unserer Nachbarn erworben (...) haben. Die SPD sollte schnellstens von dieser Deutschtümelei abrücken. Es gilt, europäisch zu handeln, und nicht, die nationale Schalmei zu blasen.«
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbands, Bernhard Gertz, hält die Teilnahme deutscher Soldaten an einer begrenzten Operation gegen den Irak für möglich. Für eine Aktion »mit dem Ziel, die Inspektionsteams ins Land zu bringen oder Produktionsstätten von Massenvernichtungswaffen zu beseitigen, würden die Kräfte und Mittel der Bundeswehr sicherlich ausreichen«, sagte Gertz der »Bild am Sonntag«.