Anzeige
Anzeige

Berichterstattung zur NPD In fragwürdiger Gesellschaft

Die "Thüringer Allgemeine" stellt Kandidaten der kleinen Parteien im Land vor. Darunter der NPD-Funktionär Patrick Wieschke, der so seine nationalistische Gesinnung unkommentiert präsentieren kann.
Von Steffi Hentschke

Patrick Wieschke wusste schon früh, was er will. Bereits als Schüler soll der 32-jährige Thüringer eine rechtsextremistische Ideologie vertreten haben, war gewalttätig und wurde 2002 erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt – unter anderem wegen der Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Mittlerweile gehört Wieschke zu den führenden Köpfen der NPD und soll Berichten zufolge zeitweilig sogar im Visier der NSU-Ermittler gewesen sein. Ein beeindruckend-eindeutiger Lebenslauf also, den die Redaktion der "Thüringer Allgemeine" nicht davon abgeschreckt hat, Wieschkes Weltanschauung in der Zeitung darzustellen: Deutschland brauche "ein Gros" der Zuwanderer nicht, heißt es da etwa.

"Für mich sind das menschenverachtende und demokratiefeindliche Parolen" sagt der stellvertretente Chefredakteur, Dirk Lübke. "Wir haben diesen Positionen - wie auch denen von sechs anderen kleinen Parteien in Thüringen - einmal in der Zeitung Platz geben wollen. In 35 Zeilen pro Partei." So kommen neben Wieschke Bundestagskandidaten der ÖDP, der AfD, der Piraten, der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands), den Freien Wählern und den Republikern in Kurzporträts vor - eine heikle Auswahl mit Parteien, die zum Teil extreme Ansichten vertreten. Von ganz links bis rechts außen.

Der Journalist verteidigt das Vorgehen der Zeitung als Versuch, den Lesern eine umfassende Berichterstattung zum Thema Bundestagswahl zu bieten. Dass diese den Eindruck erwecken könnte, die NPD sei eine genauso wählbare Partei wie etwa die ÖDP, glaubt der Journalist nicht. "Ich vertraue auf die Mündigkeit des Wählers und Bürgers." Angesichts der Ergebnisse der letzten Landtagswahl ein frommer Glaube: Mit 4,3 Prozent verpassten die Rechtsextremen nur knapp den Einzug in den Thüringer Landtag.

Die NPD ist die einzige Partei, die regelmäßig und umfassend in Verfassungsschutzberichten auftaucht. So heißt es im aktuellen Bericht der Thüringer Landesbehörde, die NPD sei die "dominierende Kraft innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums" und zeichne sich durch eine enge Kooperation mit den Neonazis in dem Freistaat aus. Kein Wunder also, dass auch der heutige Stellvertreter der Landespartei, Wieschke, früher als einschlägiger Neonazi bekannt war und von den Sicherheitsbehörden beobachtet wurde.

"Aber doch bitte keine Volksverhetzung"

Heute weiß Wieschke scheinbar, wie er seine menschenverachtende Ideologie verpacken muss, damit sie bei den Leuten ankommt – und Zeitungen sie abdrucken. "Klar, dass jeder Partei ein Mini-Maß an Darstellung zugesprochen werden muss", sagt Andreas Kaßbohm, der für die Piraten in den Bundestag will. "Aber doch bitte keine Volksverhetzung."

Immer wieder stehen Journalisten vor der Frage, wie viel Raum sie rechtsextremistischen Positionen geben sollten. Ob man das überhaupt machen soll. Der Rechtsextremismusexperte Joachim Wolf hat dazu eine klare Haltung. "Wenn man diese Partei schon zu Wort kommen lässt, dann kritisch", sagt der Mitarbeiter der Amadeu-Antonio-Stiftung, die im Rahmen des Projekts "Mut gegen rechte Gewalt" auch mit dem stern kooperiert.

Für die Bundeszentrale für politische Bildung hat Wolf erst kürzlich das Wahlprogramm der NPD genauer unter die Lupe genommen. Er weiß, was sich hinter Sätzen wie "Deutschland muss endlich ein selbstbestimmter Nationalstaat werden, indem das Volk wieder in den Mittelpunkt allen politischen Handelns gerückt wird" verbirgt. Sätzen, wie sie die "Thüringer Allgemein" abgedruckt hat. "Da muss man genau nachhaken - und die rassistische Ideologie der NPD entlarven."

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel