BERLIN Geiselnahme in Botschaft unblutig beendet

Nach gut fünf Stunden ist die Besetzung der irakischen Botschaft in Berlin glimpflich ausgegangen. Ein Sondereinsatzkommando stürmte das Gebäude und nahm die fünf Besetzer fest.

Ohne Blutvergießen ist am Dienstagabend eine Geiselnahme in der irakischen Botschaft in Berlin zu Ende gegangen. Gut fünf Stunden nach Beginn der Besetzung durch irakische Oppositionelle stürmte ein Sondereinsatzkommando der Polizei um 19.40 Uhr die Vertretung im Stadtteil Zehlendorf. Alle Geiseln, darunter Geschäftsträger Schamil Mohammed, kamen frei. Zwei von ihnen seien »oberflächlich verletzt« worden, erklärte die Polizei. Die fünf Besetzer wurden festgenommen.

Die Bundesregierung hatte kurz zuvor grünes Licht für den Polizeieinsatz auf dem Botschaftsgelände gegeben. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, das Außenamt habe der Polizei mitgeteilt, dass die völkerrechtlichen Voraussetzungen für das Betreten des Geländes vorlägen. Botschaftgelände sind exterritoriale Bereich, auf denen die Polizei nicht ohne Erlaubnis des betroffenen Staates eingreifen kann.

Eine leicht verletzte Geisel

Die Besetzer, die sich selbst als Mitglieder der »Demokratischen Irakischen Opposition Deutschlands« bezeichneten, hatten von Anfang an betont, die Aktion sei friedlich und zeitlich begrenzt. Sie solle zeigen, »dass unser Volk den Willen zur Freiheit hat und diesen umsetzen wird«, hieß es in einem Fax an die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Männer waren am Nachmittag um 14.26 Uhr in die Botschaft gestürmt und hatten mehrere Mitglieder des Botschaftspersonals in ihre Gewalt gebracht. Ein Mann erlitt Augenreizungen, als Tränengas versprüht wurde. Er durfte die Botschaft daraufhin verlassen. Während die Polizei einen Großeinsatz auslöste und das Gelände weiträumig abriegelte, saßen die Geiselnehmer nach eigenen Angaben mit den Botschaftsmitarbeiten zusammen und diskutierten.

Irakische Regierung gab freie Hand

Die irakische Regierung hatte den deutschen Behörden freie Hand zur Befreiung der Botschaftsgeiseln in Berlin gegeben. Ein Sprecher des Außenministeriums in Bagdad äußerte die Vermutung, dass pro-amerikanische und israelische Agenten hinter der Aktion stünden. Man habe die deutschen Behörden um eine schnelle Beendigung dieses terroristischen Aktes gebeten. Iraks UN-Botschafter Mohammed Al-Douri erklärte in New York, er habe zum ersten Mal von einer Gruppe mit diesem Namen gehört. »Sicher wurden sie von jemandem vorgeschickt, vielleicht von einer Regierung«, meinte Al-Douri.

Auswärtiges Amt: »Nicht hinnehmbar«

Die Bundesregierung verurteilte die Geiselnahme. »Die Verletzung der diplomatischen Immunität der Botschaft der Republik Irak ist völkerrechtswidrig und nicht hinnehmbar«, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis. Außenminister Joschka Fischer ließ sich laufend über die aktuelle Entwicklung unterrichten.

Gruppe bisher unbekannt

Die »Demokratische Irakische Opposition Deutschlands« ist nach Erkenntnissen von Experten bisher nicht in Deutschland in Erscheinung getreten. Der Leiter des Nahost-Programms der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Volker Perthes, sagte, es handele sich vermutlich um eine Splittergruppe.

Irak und Deutschland sind seit dem Golfkrieg 1991 nicht mehr mit Botschaftern im jeweils anderen Land vertreten. Der Geschäftsträger erfüllt aber die Aufgaben eines Botschafters.