Trotz des Abgrenzungsbeschlusses ihrer Partei haben sich junge SPD-Bundespolitiker zu einem Meinungsaustausch mit der Linkspartei getroffen. Einige Bundestagsabgeordnete der SPD-Linken, die sich selbst als "Denkfabrik" der Fraktion bezeichnen, kamen am Montag zu einem Gespräch mit Vertretern der Linkspartei zusammen, wie am Mittwoch bekannt wurde.
Die "Denkfabrik" widersprach einem Zeitungsbericht, es habe sich um ein Geheimtreffen gehandelt. Tatsächlich hatte die Gruppe um den früheren Juso-Chef Niels Annen im Mai angekündigt, dass sie das Gespräch mit der Linkspartei suchen werde, um "Gegensätze wie Gemeinsamkeiten" zu diskutieren. Zur "Denkfabrik" gehört auch Vizeparteichefin Andrea Nahles, die an dem Treffen allerdings nicht teilnahm.
Abgrenzungsbeschluss der SPD
Brisanz erhält das Treffen durch die Debatte in der SPD über den Kurs gegenüber der Linkspartei. SPD-Chef Kurt Beck hatte mit seinem Schwenk nach der Hessen-Wahl, dem Landesverband trotz vorheriger Absagen nun doch eine Kooperation mit der Linkspartei freizustellen, scharfen Widerspruch ausgelöst. Der Parteivorstand fasste daraufhin Ende Februar einen Abgrenzungsbeschluss zur Linkspartei, in dem auf "unüberbrückbare Gegensätze" zwischen beiden Parteien im Bund hingewiesen wird. Eine Zusammenarbeit im Bund nach der Bundestagswahl 2009 hat Beck stets ausgeschlossen.
Neue Nahrung bekam die Debatte mit dem Beschluss der SPD, Gesine Schwan als Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl im Mai 2009 aufzustellen. Ohne Stimmen der Linkspartei dürfte sie kaum Chancen haben, da sich Union und FDP auf eine Wiederwahl von Horst Köhler festgelegt haben. Aus der Union zog die SPD daher den Vorwurf auf sich, ihr Abgrenzungsbeschluss von der Linkspartei sei unglaubwürdig.
Klarstellung von Nahles verlangt
Das Treffen befeuerte auch den innerparteilichen Streit über den Umgang mit der Linken. Die reformorientierten "Netzwerker" in der SPD kritisierten das Treffen und forderten von Nahles eine Klarstellung, ob sie die von ihrer Mitarbeiterin organisierte Begegnung gutheiße. Es müsse klar sein, ob sie sich davon distanziere oder sich dazu bekenne, sagte "Netzwerk"-Chef Christian Lange. Co-Chefin Nina Hauer sagte: "Wer das macht, muss entweder naiv sein oder etwas im Schilde führen."
An dem Treffen nahmen für die SPD unter anderem Annen, Frank Schwabe, Christine Lamprecht und die Geschäftsführerin des Arbeitskreises "Denkfabrik", Angela Marquardt, teil. Marquardt saß bis 2002 für die damalige PDS-Fraktion, der Vorgängerin der Linksfraktion, im Bundestag. Sie arbeitet seit längerer Zeit für Nahles und war in diesem Jahr in die SPD eingetreten.

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Die SPD war bemüht, die Bedeutung des Treffens herunterzuspielen. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sprach von einem Treffen mit "privatem Charakter".
Die Linkspartei war bei dem Treffen unter anderem vertreten durch Stefan Liebich, Jan Korte, Barbara Höll und Vizeparteichefin Halina Wawzyniak. Die Idee, unter jungen Abgeordneten über verschiedene Themen jenseits der Tagespolitik zu sprechen, sei nicht neu, sagte Wawzyniak Reuters. Es handele sich um eine "völlige Normalität". Beispielsweise sei erörtert worden, was an unterschiedlichen Konzepten zur nachhaltigen Entwicklung, zur sozialen Sicherung und zur Energiepolitik auf dem Markt sei. Um Koalitionserwägungen oder die Bundespräsidentenwahl sei es nicht gegangen.
Sowohl "Denkfabrik" als auch Linkspartei wiesen einen Zeitungsbericht zurück, dass an einem der nächsten Treffen auch Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar Bartsch teilnehmen werde.