Mit satter Genugtuung hat man im Kanzleramt die Krisenklausur der Liberalen am vergangenen Wochenende beobachtet. In Angela Merkels nächster Nähe kann man mit Blick auf die rapide absackenden Umfragezahlen der FDP den Satz hören: "Es war höchste Zeit, dass die Liberalen endlich mal das tiefe Loch sehen, in das sie abstürzen können, wenn sie so weiter machen wie in den ersten 100 Tagen nach der Regierungsbildung." Respektvoll wird dem von der eigenen Partei scharf gerügten nordrhein-westfälischen FDP-Landesvorsitzenden Andreas Pinkwart, immerhin Chef des mit Abstand größten liberalen Landesverbandes, zugute gehalten, er wenigstens befinde sich "im Landeanflug auf die Realität".
Die stellt sich in den Augen von Pinkwart-Vertrauten miserabel dar. Sein Sprecher André Zimmermann bot stern.de eine Wette darauf an, dass CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ohne klare Koalitionsaussage in Richtung FDP in die NRW-Landtagswahl im Mai gehen werde. Rüttgers bastle doch voller Liebe an einer Brücke zu den Grünen. Zu bedenken sei auch, dass bisher seit 2005 jede Umfrage eine Mehrheit für Schwarz-Gelb in Düsseldorf gebracht habe. Seit die FDP in Berlin mitregiere, sei diese Mehrheit binnen 100 Tagen verschwunden. Insofern sei Pinkwarts Forderung, nicht noch länger an dem bürokratischen Monster der Mehrwertsteuersenkung für Hotels festzuhalten "ein dringend notwendiger Warnruf" an die FDP-Spitze in Berlin gewesen.
Tapfer verteidigt hingegen FDP-Generalsekretär Christian Lindner, auch aus NRW und auch dort gleichzeitig Generalsekretär, die von seiner Partei durchgesetzte Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent. Wer genau hinschaue, so Lindner jetzt tapfer, der sehe schon Preisvorteile. Bloß laut einer Studie des Unternehmens Trivago aus Düsseldorf gibt es die gar nicht. Vielmehr seien die Zimmerpreise um ein Prozent seit Dezember gestiegen. stern.de ist es indes jetzt nach intensiven Recherchen gelungen, ein korrekt reduziertes Hotelangebot zu finden. Nein, nicht in der Mövenpick-Hotelkette.
Mal preisgünstig in Berlin übernachten? Die baden-württembergische Landesregierung, die im Bundesrat der Senkung der Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe zugestimmt hat, macht es möglich. Sie nimmt ihre im Bundesrat beschlossene politische Entscheidung ernst und gibt sie an die Bürger weiter: Seit Januar kostet die Übernachtung in der baden-württembergische Landesvertretung, wunderbar zentral am Rande des Tiergartens gelegen, statt 63 Euro pro Nacht jetzt nur noch 58 Euro. Ein Musterbeispiel an politischer Korrektheit. Willkommen in den 22 Zimmern ist jedermann, nicht nur preisbewusste Schwaben. Vorheriger Anruf empfehlenswert.
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Die Kanzlerin in der Krise, wie aus Anlass des 100-Tage-Jubiläums von Schwarz-Gelb vielfach intoniert worden ist? Von wegen. Nicht nur weil Angela Merkel jetzt der Fahndung nach Steuerhinterziehern in ungewohnter Entschlossenheit grünes Licht gegeben hat. Auch aus der Sicht des Modemachers Wolfgang Joop kann davon keine Rede sein. Dass Angela Merkel meist behost auftritt und so gut wie nie im Kleid, ist für ihn symptomatisch für erfolgreiche Frauen. Denn "wenn man erfolgreich ist, kommt eine bestimmte Gestik hinzu: der ausholende Schritt, die rudernden Arme". Da sei er als Künstler des modischen Designs hilflos. Denn diese Bewegungen würden alles rudernd zunichte machen.
Mit Blick in die Zukunft der Kanzlerin ist Joop allerdings guter Dinge. "Man hat nicht wie bei ihren Vorgängern das Gefühl, dass sie sich rechtzeitig nach einem lukrativen Job umsieht." Sage keiner, der Schneider Joop verstehe nichts von Politik. Denn über Westerwelle sagt er ebenso präzise: "Guido ist leider völlig antimelancholisch, geradezu hau-ruck-optimistisch." Auch eine maßgeschneiderte Beschreibung.
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Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Unauffällige politische Personalien sind nicht selten wichtiger als jene, die Schlagzeilen produzieren. So ist Thomas Strobl jetzt Vorsitzender des Vermittlungsausschusses geworden. Na und? Ganz einfach: Wenn bei der Landtagswahl in NRW im Mai Schwarz-Gelb in Düsseldorf gestürzt und durch eine SPD-Linkspartei-Grüne-Koalition ersetzt würde, rückte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zur Schlüsselposition auf. Dort und nirgendwo sonst würden dann die umstrittenen politischen Entscheidungen zwischen Bund und Ländern fallen. Und der baden-württembergische CDU-Generalsekretär und Schwiegersohn Wolfgang Schäubles hätte dabei wichtiges Sagen.
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Im Bundespresseamt wird nach einem Saboteur gesucht. Denn in der für guten Verkauf der Regierungsarbeit zuständigen Behörde wurde dieser Tage eine ganz besonders einprägsame Formel zum 100-Tage-Jubiläum der schwarz-gelben Regierung geprägt. In der Terminvorschau des Presseamtes wurde das Thema einer Pressekonferenz des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier mit dem Titel "100 Tage Schwarz-Geld" angekündigt. Sage also bitte fortan keiner mehr, das Bundespresseamt schöne die politischen Realitäten in unschöner Weise.