"Ich bin nicht so der Balltyp", pflegt Angela Merkel zu sagen, wenn sie begründet, weshalb sie den Bundespresseball in Berlin konsequent meidet. Dieses Jahr knurrte sie: "Ich gehe jetzt zum 19. Mal nicht hin, weil ich, seit ich in der Politik bin, noch nie beim Bundespresseball war." Ihr Kanzleramtsminister Thomas de Maizière wusste damit, wie er die Chefin zu verteidigen hatte: "Sie hat jetzt 18 Mal abgesagt, weshalb sollte sie beim 19. Mal zusagen?" So mussten sich die zweieinhalbtausend Gäste vergangenen Freitag einmal mehr ohne die Kanzlerin vergnügen. Von klein auf, pflegt sie über sich selbst zu spotten, sei sie ein Bewegungsidiot gewesen, der nur dank nachsichtiger Sportlehrer im Zeugnis wenigstens eine schlappe Drei ergattern konnte. Vermutlich erschien ihr deswegen auch das diesjährige Ballmotto "Pas de deux" zu riskant. Man stelle sich nur mal vor, sie hätte sich beim Walzer mit ihrem Herrn Sauer verstolpert. Was für ein schadenfrohes Getuschel hätte die Ballbesucher erheitert. Frei nach der Devise: Beim Pas de deux der Großen Koalition treten sich Rote und Schwarze derzeit auch ständig auf die Füße. Rechts rum oder links rum? Von Harmonie ist man jedenfalls weit entfernt.
Hans Peter Schütz
Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"
Horst Köhler wiederum kennt derlei Problemchen nicht. Routiniert wie immer eröffnete er mit Ursula Gößling, der Ehefrau des Vorsitzenden der Bundespressekonferenz, den Ball im Hotel Interconti. "Dieser Bundespräsident tanzt sehr gut", rühmt sie dessen Bewegungstalent. Er führe gekonnt und sei zudem ein sehr rücksichtsvoller Partner. Ob sie links rum könne, hat er beim ersten Aufeinandertreffen auf der Tanzfläche Frau Gößling gefragt. Und als er deren entsetzten Blick bemerkte, war er ganz Kavalier: "Dann bleiben wir bei rechts." Das war zu Zeiten von Bundespräsident Roman Herzog ganz anders. Der bekennende Nichttänzer war ein gefürchteter Auf-die-Füße-Treter.
Doch auch ohne das Ehepaar Merkel/Sauer machte der diesjährige Presseball seinem Motto einige Ehre. Pas de deux, wer mit wem? Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee präsentierte die neue Lebensgefährtin Annette Bender, für die er seine erste Ehefrau verlassen hat. Laurenz Meyer, bekennender Womanizer des Bundestags, flanierte mit seiner neuen Liebe, Sonja Mertens. Immerhin: Wenigstens dem Vornamen seiner alten Liebe Sonja Müller ist er treu geblieben. Da sei sehr klug von dem CDU-Mann, lästerten Spottdrosseln. So rede er die Neue wenigstens immer mit dem richtigen Vornamen an. Franziska von Almsick ließ sich mit ihrem Lebensgefährten Jürgen B. Harder ablichten, mied jedoch die Tanzfläche strikt. Ihr Jürgen streichelte sie dafür ausgiebig liebevoll am Rücken, schließlich will man nächstes Jahr angeblich heiraten. Aus dem Pas de deux machte Hans-Olaf Henkel, ein bekennender Extrovertierter der Szene, einen Pas de trois. Der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie trat zum Gesehen-Werden mit seiner Frau Bettina Hannover und deren Zwillingsschwester Almut an. Die beiden Damen: Gleiche Frisur, gleicher Schmuck, gleiche Schuhe, gleiches Kleid. Die eine trug es in Grün, die andere in Rot. Ballspott: "Damit er am Ende des Balls weiß, mit wem er verheiratet ist." Auch dabei, allerdings mit neuer Kurzhaarfrisur Anette Fröhlich, in diesem Jahr Hauptdarstellerin der politischen Seifenoper um Horst Seehofer. Begleiten ließ sie sich von ihrem Vater, der strahlend bekennt: "Meine Frau und ich genießen unser Enkelkind."
Eher enttäuschend der Stand der gleichgeschlechtlichen Beziehungspaare. FDP-Chef Guido Westerwelle war mit seinem Lebensgefährten Michael Mronz am Rande der Ballfläche, Berlins Regierender Klaus Wowereit mit seinem Jörn Kubicki. Ferngeblieben waren trotz ursprünglicher Zusagen TV-Talkerin Anne Will und ihre Medienprofessorin Miriam Meckel. Dem Ball hat das vermutlich gut getan. Man mag sich das Geschubse und Gedränge gar nicht vorstellen, mit denen die Ballgäste versucht hätten, dem soeben geouteten Liebespaar der Polit-Szene, das ja in Wahrheit schon lange zusammen ist, näher zu sein.

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Sonst noch gesichtet: Mario Adorf mit Ehefrau Monique. Justizministerin Brigitte Zypries, ganz auf Große Koalition getrimmt mit schwarzem Kleid und dezent geröteten Federn. Der unermüdliche Hans-Dietrich Genscher. Christina Rau mit ihrem Sohn Philipp. SPD-General Hubertus Heil und Frau Solveig Orlowski. Am Hummertuch musste niemand nagen. Serviert wurden unter anderem: 6000 Austern, 3000 Neuseeland-Muscheln zwei Zentner Riesengarnelen, 2500 Mitternachts-Currywürste und 1800 Flaschen Champagner. Einer der Hauptgewinne der Tombola ging an Die-Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch. Er gewann eine USA-Reise und kann damit endlich vor Ort studieren, wohin hemmungsloser Kapitalismus führt.