Ziemlich unfroh geht es derzeit in der SPD zu, auch wenn sich die Spitze jetzt soeben neu formiert und voller Eintracht präsentiert hat. Intern sieht das ganz anders aus. Mal beölen sich die Kritiker Kurt Becks darüber, dass der SPD-Chef unlängst im Wahlkampf in Bremerhaven Rollmöpse für 50 Cent das Stück verkauft hat. Seither wird über den "Rollmops-Kurt" gelästert, dem man endlich mal die Grundregeln vernünftiger PR-Arbeit beibringen müsse. Mal reichen die Gegner von Vizekanzler Franz Müntefering ein Beck-Zitat grienend weiter: "Ich kann mich auf ihn blind verlassen, a-ber ich kann ihm nicht blind vertrauen."
Zu dem Satz passt, dass Beck nach dem jüngsten Koalitionsgipfel im Kanzleramt SPD-Fraktionschef Peter Struck beauftragte, über die Ergebnisse Journalisten zu informieren. Müntefering wiederum misstraute der Aktion und informierte zwei Stunden später selbst. Und von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, immerhin ein Stellvertreter Becks im Parteivorsitz wird der schöne Schmäh kolportiert: Es sei am besten, wenn SPD und CDU/CSU sich vor der Wahl 2009 auf die gemeinsame Kanzlerkandidatin Angela Merkel verständigten. Dann könnte die SPD ja schadlos über den Vizekanzler streiten.
Hans Peter Schütz
Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"
Aber auch zwischen den Partnern der Großen Koalition fliegen derzeit die Fetzen. Zwar simste die Christdemokratin Merkel dem Sozialdemokraten Thomas Steg ein "Glückwunsch!", als Borussia Dortmund letzthin Schalke o4 besiegte. Der stellvertretende Regierungssprecher ist nämlich hemmungsloser Borussia-Fan. Damit endete der Austausch von Freundlichkeiten allerdings. Im Streit darüber, ob der Ex-SPD-Wirtschaftsminister Werner Müller Vorsitzender der so genannten Kohle-Stiftung werden darf oder nicht, brüllten sich Merkel und Struck lautstark an, weil die Kanzlerin gesagt hatte, die Union habe zu Müller kein Vertrauen. Böse in die Wolle gerieten sich auch Edmund Stoiber und Steinbrück im Krippen-Streit. Als der CSU-Chef 150 Euro monatlichen Zuschuss für Familien forderte, die ihre Kinder im zweiten und dritten Jahr zuhause erziehen, qualifizierte Steinbrück den Vorschlag als "Alkoholprämie" ab. Das Geld werde von den Vätern vermutlich in Bier umgesetzt oder, im günstigsten Fall, in einen neuen CD-Player investiert.
Abspeckminister Horst Seehofer - und das ist, Ehrenwort!, nicht politisch gemeint - hat sich um die bayerische Küche sehr verdient gemacht. Auch wenn er sich derzeit sehr bemüht, die Deutschen abzumagern, warnt er dennoch davor, die Kalorienabfuhr zu übertreiben. "Eine bayerische Schweinshaxe zwischendurch," rät er der Republik, "ist für das Wohlbefinden gut." Jeden Tag Schweinshaxe müsse er freilich rügen. Sage keiner Seehofer sei kein guter Verbraucherschutzminister.
Seehofers persönliches Wohlbefinden hängt freilich an anderen Faktoren. Seine schwere Stunde rückt unaufhaltsam näher. In etwa sechs bis acht Wochen wird er noch einmal später Vater. Die Mutter des Kindleins sieht unbeschwert und sehr fröhlich dem Nachwuchs entgegen. Im Hause Seehofer jedoch kann davon keine Rede sein. Denn noch immer hat der Agrarminister die künftigen Familienverhältnisse nicht tatsächlich geklärt, auch wenn der Minister sich soeben nach langer Zeit wieder einmal mit seiner Ehefrau öffentlich präsentiert hat. Dabei weiß er nur zu genau, welche Schlagzeilen demnächst seine Vaterschaft im Boulevard produzieren wird. Die vereinigten Paparazzi der Republik werden sich prügeln um das erste Bild des kleinen Seehofer. Wie gut hatte es da der Franz Beckbauer, der außerehelichen Nachwuchs locker mit dem Satz begrüßen konnte: "Der liebe Gott freut sich über alle Kinder."
Ein gefürchteter Redner ist der CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber - sowohl seiner Eloquenz wie auch der Angewohnheit wegen, sich wenig um den Standort des Rednerpults zu scheren. Meterweit entfernt er sich zuweilen vom Mikro. Bei der jüngsten Debatte über die Forschungspolitik zeigte er sich jedoch standorttreu, was ihm ein Lob eintrug. Er habe, so der Bundestagspräsident, mehrere Saaldiener an den Türen aufgestellt, "um sicherzustellen, dass wir der Bestimmung der Geschäftsordnung gerecht werden, dass die Verhandlung im Bundestag stattfindet."
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Es hat sich ausreformiert. Auf Vorschlag von Kanzleramtsminister Thomas de Maizière will die Große Koalition künftig einen weiten Bogen um das Wort "Reform" machen. Nach Steuerreform, Gesundheitsreform, Rentenreform kam jetzt der Kanzleramtschef zur Erkenntnis, dass "niemand in Deutschland an irgendeiner Form der Reformdiskussion interessiert ist." Er rät dringend, fortan von konkreten Zielen zu reden. Also von Kindern, Staatsfinanzen, Umwelt. Wetten, dass die allermeisten unserer regierenden Politikern das nicht schaffen?