Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat die Bestechungsvorwürfe der Freien Wählergemeinschaft erneut zurückgewiesen sowie SPD und Grünen eine diffamierende Vorverurteilung vorgeworfen. "Im Gegensatz zu diesen Diffamierungsversuchen gab es zu keinem Zeitpunkt verwerfliche Wünsche oder Angebote an die FWG", sagte der CDU-Politiker bei seiner ersten Befragung im Untersuchungsausschuss des Landtags am Montag in Wiesbaden. Nach übereinstimmenden Aussagen hatte Koch den Freien Wählern staatliche Kostenerstattung für die Kommunalwahl in Aussicht gestellt, falls die Gruppierung nicht bei der Landtagswahl antrete. Die Freien Wähler werten dies als "Kaufversuch". Die CDU habe sich damit auf Landesebene einen Konkurrenten vom Leibe halten wollen. Nach Kochs Darstellung würden die Freien Wähler doppelt kassieren, wenn sie als einzige politische Gruppe Zuschüsse bei Kommunalwahlen und dazu die üblichen Zuwendungen bei einer Landtagswahl erhielten. Es sei deshalb "immer kristallklar" gewesen, dass ein Gesetz über Zuschüsse bei Kommunalwahlen nur dann in Frage komme, wenn die FWG in Hessen eine rein kommunale Wählergruppierung bleibe, sagte Koch. Er habe die FWG zudem aufgefordert, sich auch bei den übrigen Landtagsfraktionen um eine breite politische Mehrheit für das Vorhaben zu bemühen.
SPD und Grüne sehen Kaufversuch bestätigt
SPD und Grüne sahen nach der Sitzung den Vorwurf der Bestechung bestätigt. "Faktisch hat Roland Koch alles zugegeben", sagte Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir. Die von Koch vorgenommene Verknüpfung einer kommunalen Kostenerstattung und einer Teilnahme an der Landtagswahl sei "skandalös", sagte die SPD-Obfrau im Ausschuss, Nancy Faeser. Beide Parteien erwägen eine Gegenüberstellung und Vereidigung der Zeugen.
Die Wählergemeinschaft ist in Hessens Gemeinden drittstärkste Kraft. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien geht sie bei Verteilung staatlicher Mittel bisher leer aus, da Zuschüsse nur bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen vorgesehen sind.
"Es ging um die Wahrung der Chancengleichheit", erklärte Innenminister Volker Bouffier, der ebenfalls an einem umstrittenen Gespräch mit der Spitze der Freien Wähler im April 2006 teilgenommen hatte. Die FWG dürfe nicht durch eine Doppelfinanzierung besser gestellt werden als die etablierten Parteien. Deshalb habe die CDU seit Jahren deutlich gemacht, dass eine staatliche Unterstützung der FWG bei den Kommunalwahlen und ein Antritt bei der Landtagswahl einander ausschlössen. "Diese Verknüpfung war nicht nur allgemein bekannt, sondern wurde von den Freien Wählern auch bis zum November 2006 akzeptiert", sagte Bouffier. Damals hatten die Freien Wähler bei einer Landesversammlung entschieden, bei der Landtagswahl im Januar 2008 anzutreten. Die CDU will bei der Wahl ihre absolute Mehrheit verteidigen.
Koch sieht FWG als Konkurrenz
Koch, Bouffier, Hessens CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg und Kultusministerin Karin Wolff äußerten Verwunderung darüber, dass die Freien Wähler erst Monate nach dem Gespräch vom April diese Verknüpfung als empörend bezeichnet hätten. "Alle Gespräche wurden in sachlicher und konstruktiver Weise geführt - ohne Erregung oder gar Empörung", sagte Bouffier. Koch räumte ein, dass eine Teilnahme der FWG an der Landtagswahl aus seiner Sicht der CDU und anderen Parteien Stimmen kosten könnte. "Ganz sicher habe ich gesagt, dass wir kein Interesse an einem Antritt der FWG haben. Ich bin ja nicht zum Eunuchen geworden."
Reuters