BND-Affäre Grüne jetzt doch für Untersuchungsausschuss

Ginge es nach der Bundesregierung, dann bliebe die Akte mit der Aufschrift BND-Affäre zugeklappt. Und auch die Grünen hatten kurzzeitig kein Interesse an einem Untersuchungsausschuss. Das hat sich nun geändert.

Die Wahrheit steht auf Seite 20. In dem für die Öffentlichkeit abgespeckten Regierungsbericht zur BND-Affäre wird deutlich beschrieben, dass der deutsche Geheimdienst geografische Koordinaten zu Aufenthaltsorten militärischer Kräfte in Bagdad an US-Stellen weitergeleitet hat. Die Grünen wollen es genauer wissen: Am Freitag, nur wenige Stunden nach Vorlage des Dossiers, entschieden Partei- und Fraktionsspitze, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Aufklärung bringen soll. Dazu sind jetzt noch die Stimmen der FDP zwingend notwendig.

Nach Ausbruch des Irak-Kriegs und der Bombardierung der Hauptstadt am 20. März 2003 waren zwei BND-Mitarbeiter in Bagdad geblieben. Auf Empfehlung der BND-Spitze und mit Wissen der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sollten die beiden Männer sich eigene Eindrücke verschaffen und dieses Lagebild nach Pullach und Berlin übermitteln. Es hat Monate gedauert, bis die Öffentlichkeit davon erfuhr, dass BND-Agenten in Bagdad auf geheimdienstlichen Spuren wanderten.

Mit dem Wirken der deutschen Agenten beschäftigte sich in den vergangenen Wochen das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), wo auch die Bagdad-Agenten Rede und Antwort standen. Den PKG-Mitgliedern lag der Regierungsbericht zu den "Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus" vor.

Zu den BND-Aufgaben habe neben dem individuellen Anspruch der Bundesregierung auf Informationen aus eigener Quelle auch gehört, Koordinaten über "kriegsvölkerrechtlich geschützte Einrichtungen" wie beispielsweise Krankenhäuser, Kirchen oder Botschaften zu übermitteln. Die BND-Zentrale reichte diese Erkenntnisse an Dienste in den USA weiter, damit diese Ziele nicht versehentlich ins Visier von Kampfpiloten oder Kanonieren gerieten. So schilderte das auch Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am 13. Januar dieses Jahres.

Militärische Daten verraten

Zu diesem Zeitpunkt muss die Bundesregierung aber lange gewusst haben, dass die BND-Männer auch militärische Daten über Standorte, Fahrzeuge, Personal und Material übermittelten. In Berlin griffen Gedankenspiele Raum, dass Deutschland - das sich an dem Irak-Krieg nicht beteiligte - doch auf die eine oder andere Weise involviert gewesen sein könnte. Dies und Ungereimtheiten im Regierungsbericht wollen Linkspartei und Grüne zum Gegenstand des Untersuchungsausschusses machen - obwohl der Grüne Hans-Christian Ströbele noch am Mittwoch über die Arbeit des PKG gesagt hatte: "Wir haben so viel aufgeklärt, wie ein Untersuchungsausschuss in einem Jahr nicht aufgeklärt hätte." Die FDP will sich nicht vor Anfang März entscheiden.

Die Koalitionsstrategen Olaf Scholz (SPD) und Norbert Röttgen (CDU) gaben aus ihrer Sicht am Freitag Entwarnung: Die an die USA übermittelten Daten seien ohne militärische Relevanz gewesen, kein Ziel sei auf Grund von Erkenntnissen der deutschen Agenten bombardiert worden. Das sieht Ströbele anders: Im Falle eines Offiziersclubs liege die Annahme nahe, dass eine "zweite Bombardierung auf die Meldung der BND-Mitarbeiter" erfolgte.

Verdienstmedaille für Unterstützung von Kampfhandlungen

Sie wurden nach Kriegsende mit US-Verdienstmedaillen dekoriert. In der Begründung heißt es unter anderem: "Für die Unterstützung von Kampfhandlungen im Irak". Dazu erläutert der Regierungsbericht: "Die Verleihung und der Tenor der Laudatio entsprechen der zur Pflege des deutsch-amerikanischen Verhältnisses langjährig geübten militärpolitischen Praxis und Diktion".

Bei der Erläuterung dieser Sachverhalte und der damit zusammenhängenden Fragen mussten Röttgen und Scholz alle rhetorischen Fähigkeiten abrufen. Trotzdem konnte auf die Frage, welchen Wert die Übermittlung von Koordinaten hätte, wenn diese militärisch belanglos seien, keine umfassend befriedigende Antwort gegeben werden.

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Gerd Reuter, Christoph Trost/DPA