Bundesverfassungsgericht Koalition will Gesetz zu Online-Razzien

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Online-Durchsuchungen will sich die Koalition schnellstmöglich auf einen Gesetzentwurf einigen. Solche Durchsuchungen seien jetzt "unter engen Voraussetzungen" möglich, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder.

Die Spitzen der Koalitionsfraktionen haben sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf eine Aufnahme von Online-Durchsuchungen in das BKA-Gesetz verständigt. "Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen, und dieses Urteil lässt Online-Durchsuchungen unter engen Voraussetzungen zu", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Mittwoch am Rande der gemeinsamen Klausur auf dem Petersberg bei Bonn. Die Bundesregierung habe zugesagt, auf dieser Grundlage so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorzulegen.

SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck unterstrich, es müssten ganz enge rechtsstaatliche Bedingungen erfüllt sein, um Computer auszuspähen. Es sei daher richtig gewesen, vor Verabschiedung des Gesetzes das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten. Struck rechnet nach eigenen Worten damit, dass sich Innenminister Wolfgang Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries "sehr schnell einigen werden". Der Gesetzentwurf werde dann rasch im Bundestag beraten.

Auch SPD-Bundestagsabgeordneter Dieter Wiefelspütz rechnet nach dem Karlsruher Urteil zur Online-Durchsuchung mit der zügigen Einführung der geplanten Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts (BKA). "Die große Koalition wird sich nach sorgfältiger Prüfung dieses wichtigen Urteils sehr schnell darauf verständigen, dass die Online-Durchsuchung in die BKA-Novelle eingefügt wird", sagte Wiefelspütz. In wenigen Wochen werde der Entwurf im Kabinett sein. "Wir werden da keinen großen Streit mehr haben." Allerdings müssten die strengen Vorgaben des Gerichts beachtet werden.

Urteil beschränkt Untersuchungs-Spielraum

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil hohe rechtliche Hürden für Online-Durchsuchungen gesetzt. Das heimliche Ausspähen der Computerfestplatte sei nur zulässig, "wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen", heißt es in dem Urteil. Unabdingbar sei eine vorherige richterliche Anordnung.

Eine entsprechende Befugnis des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes verletzt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei damit nichtig. Damit gab der Erste Senat den Verfassungsbeschwerden einer Online-Journalistin, eines Mitglieds der Partei Die Linke und dreier Rechtsanwälte statt, darunter der FDP-Politiker Gerhart Baum.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Untersuchungen nur bei existentiellen Bedrohungslagen

Weil mit dem heimlichen Zugriff auf den Computer aber besonders intensiv in das Grundrecht eingegriffen werde, sei er nur bei drohenden Gefahren für Leib, Leben und Freiheit zulässig sowie bei Bedrohungen, die den Bestand des Staates oder die Grundlagen der menschlichen Existenz berührten, heißt es in dem Urteil. Jenseits solcher "existenzieller Bedrohungslagen" sei "eine staatliche Maßnahme grundsätzlich nicht angemessen, durch die - wie hier - die Persönlichkeit des Betroffenen einer weitgehenden Ausspähung preisgegeben wird", sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier.

Mit seinem Grundsatzurteil habe das Karlsruher Gericht erstmals ein "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" geschaffen, sagte Papier bei der Verkündung in Karlsruhe. Dieses neue Grundrecht sei aber nicht schrankenlos. "Eingriffe können sowohl zu präventiven Zwecken als auch zur Strafverfolgung gerechtfertigt sein." Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant zur Terrorbekämpfung eine Befugnis des Bundeskriminalamts für Online-Durchsuchungen. Er hält nach dem Urteil eine schnelle Einigung innerhalb der Koalition für möglich.

DPA · Reuters
Lio/ Reuters/ DPA

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