Als während der Ukraine-Debatte im Bundestag am Donnerstagnachmittag nach Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz das Wort ergriff, war das für viele politischen Beobachter eine Überraschung. Eigentlich wäre es an Ralph Brinkhaus, dem Vorsitzenden der größten Oppositionsfraktion, gewesen, der Ministerin zu antworten. Dass dennoch Merz ans Rednerpult schritt, erwies sich als Fingerzeig. Am Abend verzichtete Brinkhaus auf eine erneute Kandidatur für den Fraktionsvorsitz – zugunsten von Merz.
Brinkhaus kündigte seinen Verzicht am Donnerstagabend in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU an. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur (DPA) in Berlin vor. Brinkhaus schlägt darin zudem vor, den neuen Fraktionsvorsitzenden bereits am 15. Februar zu wählen, ursprünglich war Brinkhaus bis Ende April gewählt worden. Er macht so den Weg für Merz frei, der damit auch zum Oppositionsführer werden wird. Eine Rolle, die er im Vorgriff des Brinkhaus-Verzichtes während der Ukraine-Debatte offensichtlich bereits übernommen hat.
Friedrich Merz: Brinkhaus über seine Kandidatur informiert
Brinkhaus schreibt, Merz habe ihn darüber informiert, dass er sich in jedem Falle für den Fraktionsvorsitz bewerben werde. "Es ist kein Geheimnis, dass bezüglich des Fraktionsvorsitzes zwischen Friedrich Merz und mir unterschiedliche Auffassungen bestehen, die wir auch nicht ausräumen konnten. Ich denke, wir beide haben gute Gründe für unsere Positionen", heißt es in dem Schreiben weiter.
Dort führt Brinkhaus aber auch an: "Es darf kein Dissens werden, der der Union schadet – insbesondere angesichts der anstehenden Landtagswahlen, deren Ergebnisse für uns so entscheidend sind", ergänzte der Noch-Fraktionschef. Er schlage daher vor, schnell Klarheit zu schaffen und die Ende April anstehende Wahl des Fraktionsvorsitzenden "auf die nächste Plenarwoche, das heißt auf den 15. Februar 2022, vorzuziehen". Brinkhaus spielt auf die anstehenden Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im März und Mai an.
Brinkhaus fordert zur Unterstützung des Neuen auf
Brinkhaus kündigte in seinem Schreiben an, selbst nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Zugleich bat er die Abgeordneten darum, "den neuen Fraktionsvorsitzenden so zu unterstützen und zu tragen, wie auch ich von der Fraktion unterstützt und getragen worden bin. Denn nur so werden wir weiter erfolgreich sein." Er werde der Fraktion "selbstverständlich" als Abgeordneter erhalten bleiben "und wie bisher mit großem Engagement und Freude am Erfolg unseres gemeinsamen christdemokratischen und christsozialen Projekts mitwirken". Merz hatte stets betont, dass die Ämter des Parteichefs und des Oppositionsführers im Bundestag in einer Hand liegen sollten.