CDU-Hardliner Mappus "Lieber Schwarz-Grün"

Stefan Mappus ist stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg - und eine der stockkonservativen Nachwuchskräfte der Union. Im stern.de-Interview spricht Mappus über die Kanzlerin, mögliche Koalitionen und die Familienpolitik.

Jüngere Funktions- und Mandatsträger in der Union sorgen sich um die Attraktivität der CDU, nicht zuletzt bei konservativen Wählern. Haben Sie sich deshalb an einem viel beachteten Treffen in Berlin beteiligt, bei dem es um die Frage ging: Wie machen wir die CDU für breite Wählerschichten wieder stark?

Das Gespräch wurde vielfach als eine Art konspiratives Treffen beschrieben. So war es aber nicht. Wir haben uns im Café Einstein in Berlin getroffen - und das ist nun wirklich völlig ungeeignet für Geheimbündelei. Wir waren uns bei diesem Gespräch einig, dass die ganze politische Bandbreite der CDU, darunter auch die konservativen Grundüberzeugungen wieder stärker ins Bewusstsein der Wähler gerückt werden müssen. Davon sind wir tief überzeugt.

Zum Markenkern der CDU gehört für Sie zum Beispiel der Satz: Man muss nach der Wahl tun, was man vor der Wahl gesagt hat. Das Kriterium erfüllt die Kanzlerin Merkel ganz und gar nicht.

Tun, was man sagt, gilt für mich in allen Lebenslagen, privat und politisch. Alles andere erschüttert die Glaubwürdigkeit. Wenn irgend möglich, muss man sein Wort halten.

In Berlin hat die CDU nicht umgesetzt, was 2005 in ihrem Wahlprogramm gestanden hatte. Von hartem Reformkurs kann keine Rede sein.

Wenn man in eine Koalition gezwungen wird, die kein Mensch wollte, muss man Dinge machen, die man in anderer Konstellation auf keinen Fall gemacht hätte.

Eine Ausrede, die sich anbietet.

Ich sage nicht, dass sich damit alles begründen lässt. Bei notwendigen Kompromissen sollte die Partei aber deutlich machen: Wenn wir könnten, wie wir wollten und in einer anderen Koalition wären, würden wir dies ganz anders machen. Das ist uns leider nicht in ausreichendem Maße gelungen.

Sie sagen immer wieder: Die Menschen müssen wissen, wofür die CDU steht.

Diese Klarheit ist uns ein Stück weit abhanden gekommen. Ich bin Kreisvorsitzender und damit nahe an der Basis. Dort sagen die Menschen ihnen sehr offen, was sie denken. Wir haben derzeit einen erheblichen Mitgliederrückgang. Sehr viele langjährige Mitglieder gehen. Die sagen mir: Trotz Großer Koalition müsst ihr bei bestimmten Dingen hin stehen und sichtbar machen, für was ihr eigentlich steht. Das Profil ging teilweise verloren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sie sagen auch: Es ist meine tiefe Überzeugung, dass wir eine moderne konservative Politik brauchen. Das klingt so einfach wie die Quadratur des Kreises.

Dass das bei vielen Menschen als Widerspruch daher kommt, ist genau unser Problem. Für mich ist es denkbar und möglich, einerseits konservativ zu sein, andererseits die CDU für moderne, neue Wählerschichten zu öffnen. Die Familienpolitik von Ursula von der Leyen ist ein Glücksfall für die CDU. Andererseits darf man nicht, wie dies beim Thema Kleinkindbetreuung zumindest anfänglich der Fall war, die konservative Wählerschicht aus den Augen verlieren. Sonst kommen wir bei Wahlen nicht mehr stabil über 40 Prozent. In den 80er Jahren haben wir die ganze Bandbreite des bürgerlichen Lagers abgedeckt, das tun wir derzeit nicht mehr, aber wir müssen das einfach wieder erreichen. Dann mache ich mir keine Sorge über die Zukunft der CDU. Ein noch so modernes Flugzeug fliegt nur mit zwei Flügeln, und daher müssen wir auf dem konservativen Flügel nachbessern.

Das war damals viel einfacher, die Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden.

Wir haben nach wie vor viele Wähler aus dem bürgerlichen Lager. Wer die vergisst, der verliert irgendwann auch den Status der Volkspartei. Schauen sie doch in den Süden. In Bayern 60 Prozent, in Baden-Württemberg 45. Der Spagat, den wir auch bundesweit hinkriegen müssen, kann daher so falsch nicht sein. Wir laufen sonst Gefahr, dass viele treue konservative Wähler nicht mehr zur Wahl gehen.

Was Sie beklagen, läuft auf die Forderung hinaus: Mehr Führung durch die CDU-Vorsitzende Merkel.

Frau Merkel hat im letzten halben Jahr außenpolitisch stark geführt. Sie war in der Sache hart, sehr zielgerichtet. Genau das brauchen wir auch in der Innenpolitik. Mich hat schon überrascht, wie CDU-Politiker angegangen werden, die Dinge fordern, die nicht jedem gefallen. Erst jüngst Wolfgang Schäuble. Führung heißt, dass man Ecken und Kanten zeigt...

...was uns bei Frau Merkel bisher nicht aufgefallen ist...

...denn die Menschen werden das belohnen.

Die CDU macht in der Koalition zurzeit einen eher beliebigen Eindruck. Nix Kanten, keine Ecken.

Sie schildern die CDU zu Beginn der Koalition. Da war sie auch mir zu beliebig. Jetzt hat sie sehr an Kontur gewonnen. Angela Merkel macht einen Top-Job. Schauen sie doch mal hin, woher die CDU kommt - 35 Prozent bei der Bundestagswahl. Keine vier Jahre zuvor, beim sogenannten Spendenskandal, haben einige bereits die Existenzfrage gestellt.

Zu Recht bei den 35 Prozent, die sie damals erreicht haben.

Da sind im Wahlkampf eklatante Fehler gemacht worden. Das ist auch gar nicht zu bestreiten. Noch einmal: Die Bundeskanzlerin macht einen Top-Job. Dass wir am einen oder anderen Punkt noch zulegen müssen, ist auch klar. Wir sind derzeit - das zeigen die Umfragen eindeutig - nicht mehr so breit wählbar, wie wir es einmal waren.

Weshalb? Markieren Sie das genauer.

Nehmen wir mal die Familienpolitik. Die Richtung war zu Beginn zu einseitig. Wenn wir damit neue Wähler gewinnen wollen, muss die CDU ein moderneres Familienbild anbieten. Doch man darf denen, die ein konservatives Familienbild haben, dann nicht den Boden unter den Füssen so wegziehen, dass sie sich in der CDU nicht mehr zuhause fühlen.

Geht das noch genauer?

Es muss weiterhin die volle Wahlfreiheit zwischen Erziehung zuhause und in Krippe und Hort geben. Ich möchte, dass die Eltern entscheiden können. Deshalb muss die Zahl der Hort- und Krippenplätze bei uns vervielfacht werden. Aber denen, die bewusst ihre Kinder zuhause erziehen, denen sollten wir nicht das Gefühl geben, von vorvorgestern zu sein. Das ist die Bandbreite der CDU, wie ich sie mir vorstelle. Leider kommt dies nicht immer so rüber.

Modern wäre, wenn die konservative CDU sich vom Ehegattensplitting auch für Ehepaare ohne Kinder löste und sich zum Familiensplitting bekennen würde.

Ich bin für ein Familiensplitting, das auf dem Ehegattensplitting aufbaut. Es muss Steuervorteile für die Ehe geben. Darauf können zusätzliche Steuervorteile für Familien mit Kindern aufbauen. Kinder kosten bekanntlich Geld. Diese Neuausrichtung hat die CDU 2003 auf dem Leipziger Parteitag beschlossen, aber bisher nicht umgesetzt.

Die Kanzlerin scheint sich an Leipzig nicht mehr so genau erinnern zu wollen.

Ihr Gedächtnis ist bekanntlich glänzend - in allen politischen Fragen. Im Übrigen kommen im September alle Fraktionsvorsitzenden der Union mit der Kanzlerin zusammen. Da werden wir sicher auch darüber sprechen.

Könnte es sein, dass die protestantische, ostdeutsche Kanzlerin bis heute nicht genau weiß, wie die West-CDU tickt?

Angela Merkel weiß ganz, ganz genau wie die CDU tickt, besser auf jeden Fall als manche, die sie in der CDU kritisieren. Da wird sie massiv unterschätzt. Aber in der CDU alle unter einen Hut zu bringen, ist fast nicht machbar.

Es gibt den Vorwurf gegen Merkel, nicht genug gegen die Sozialdemokratisierung der CDU zu unternehmen. Sie selbst wiederum kämpfen, wie Sie sagen, für CDU pur.

Es ist in Stuttgart einfacher für CDU pur zu kämpfen als in Berlin. Die Menschen in Baden-Württemberg wollen CDU pur, das kann man nicht überall in Deutschland sagen - leider. Grundsätzlich bin ich überzeugt: Wer klare Ziele hat und die Dinge so sagt, wie er sie meint, der wird mittelfristig belohnt. Dies setzt aber voraus, dass die CDU auch bundesweit ein klares Profil hat.

Man sagt, Sie sind ein harter Knochen. Ein Beispiel nur: Sie forderten, die Eltern straffälliger Kinder sollten kein Kindergeld mehr bekommen.

Ich war dafür, dass die Eltern inhaftierter Jugendlicher kein Kindergeld mehr bekommen. Das ist auch logisch: Eltern, deren Kinder in der Ausbildung sind, aber ab einem bestimmten Alter kein Kindergeld mehr bekommen, kann man nicht erklären, dass das gleiche Kind Kindergeld bekäme, wenn es im Gefängnis wäre. Da muss man doch mal hin- stehen und sagen: Hier stimmt etwas im System nicht.

Sind Sie weiterhin ein entschiedener Gegner einer schwarz-grünen Koalition?

Wir brauchen die Grünen nicht um eine gute ökologische Politik zu machen. Ich persönlich bin grüner als mancher Grüne.

Also weiterhin Schwarz-Gelb wie in Baden-Württemberg?

In Baden-Württemberg kann man belegen: Wo das bürgerliche Lager von CDU und Liberalen zusammensteht, haben wir satte Mehrheiten. Dort, wo es nicht zusammensteht, drückt häufig Grün rein, manchmal auch Rot. Warum also, strategisch betrachtet, soll man die Grünen in Baden-Württemberg stark machen?

Und in Berlin? Könnten Sie in der Bundespolitik mit Schwarz-Gelb-Grün leben?

Wenn es von den Mehrheiten nicht anders geht, dann könnte man in der Tat die Frage stellen, ob Schwarz-Gelb-Grün bessere Arbeit leistet als Schwarz-Rot. Dies könnte dann einen Versuch wert sein. Dies gilt um so mehr, als es vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Fragestellungen gibt, bei denen mit den Grünen mehr Überschneidungen bestehen als mit der SPD. Das ist keine Frage.

Und wie wäre es mit Schwarz-Grün ohne die FDP im Bund?

Die Reihenfolge im Bund ist klar. Schwarz-Gelb kommt vor Schwarz-Gelb-Grün. Stellt sich aber die Frage: Schwarz-Grün oder noch einmal Schwarz-Rot, dann muss dies ernsthaft geprüft werden. Aber wenn es ohne Grün geht, dann wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir es freiwillig machten.

Interview: Hans-Peter Schütz