CDU-Streit Die Identitätskrise der Union

Welchen politischen Kurs wird die Union künftig einschlagen? Angesichts der Wahlschlappe in Hessen und niedriger Umfragewerte verschärft sich der Richtungsstreit in der Partei. Während die einen um Antworten ringen, fordern die anderen das Ende des parteiinternen Konflikts.

In der Union geht der Richtungsstreit weiter. Mehr soziale Gerechtigkeit oder ein stärker wirtschaftsorientierter Kurs? Darüber wird jetzt heftig diskutiert. Und schon werden die Rufe von Unionspolitikern laut, die ein Ende des parteiinternen Konflikts fordern.

So hat Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) die Union vor einem Richtungsstreit gewarnt. "Wirtschafts- und Sozialpolitik sind immer aufeinander bezogen", sagte das CDU- Präsidiumsmitglied in Berlin. Es dürfe keine einseitige Positionierung innerhalb der Union geben. Das Thema soziale Gerechtigkeit stehe nicht ohne eine erfolgreiche Wirtschaft. "Nur durch wirtschaftliche Entwicklung haben die Menschen Arbeit." Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte zuletzt für einen wirtschaftsorientierten Kurs der Union geworben, während CSU-Vize Horst Seehofer vor "Radikalreformern" warnte.

Unterstützung erhielt Althaus von CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer. Die Debatte sei unnötig, sagte sie in der Tageszeitung "Die Welt". Das Ergebnis der Hessen-Wahl als Auslöser der Strategiediskussion habe allein landespolitische Ursachen. Die Debatte habe im Gegenteil zu dem Absturz der Union in den Meinungsumfragen beigetragen, wird Haderthauer zitiert. In Bayern gehörten Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammen. "Soziale Gerechtigkeit ist nicht links", sagte Haderthauer. In der "Leipziger Volkszeitung" wies sie zugleich Behauptungen zurück, die Schwesterpartei befinde sich in einer Krise. "Von wegen Identitätskrise in der CDU – sie wurde bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen stärkste Kraft, während die SPD als Bettvorleger für die Linken gelandet ist."

Althaus: Arbeit der Koalition nicht behindern

Althaus appellierte an die Union, mit der Debatte über den Kurs nicht die Arbeit der Koalition unter Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zu behindern. "Es ist richtig, dass sie versucht, die Stabilität der großen Koalition gleichzeitig mit der Profilprägung der Union zu verbinden, aber das eine und das andere nicht gegeneinander", sagte er. Die Wähler sollten darauf setzen können, dass die Bundesregierung ihre Aufgaben bis 2009 erfolgreich löse. Es würde nichts bringen, wenn die Profildebatte der Union soweit in den Mittelpunkt rücke, dass das Abarbeiten der wichtigen Aufgaben ausbleibe, sagte Althaus.

In Hessen hält der Thüringer Regierungschef eine große Koalition für denkbar: "Ich glaube, am Ende müssen demokratische Parteien immer in der Lage sein, trotz aller Unterschiede, trotz aller inhaltlichen Auseinandersetzungen zu stabilen Regierungen zusammenzufinden." Er gehe davon aus, dass zum Beispiel die SPD wisse, dass man "mit einer einfachen Abgrenzung und Blockade" nicht weiterkomme. Vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 24. Februar werde es aber "sicher keine deutliche Bewegung" bei der Regierungsbildung geben, sagte Althaus.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warnte die Union davor, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. "Dann werden sich die Umfrageergebnisse nicht verbessern", sagte Bosbach. Die CDU müsse ihren politischen Grundsätzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik treu bleiben.

Stoiber warnt vor Linksruck

Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber warnte die Union vor einem Linksruck. "Es wäre ein schwerer Fehler, konservativ Denkende an den Rand der Union zu drängen", sagte der CSU-Ehrenvorsitzende. Sonst könne eine neue Protestpartei rechts von CDU und CSU entstehen. Wenn die Union nicht mehr über Ausländerkriminalität und Integrationsprobleme spreche, würden es andere tun. Stoiber kritisierte den Brief von 17 Unionspolitikern, die mit Blick auf Koch gefordert hatten, das Thema Integration aus künftigen Wahlkämpfen herauszuhalten. "Für mich ist es feige, nach der Wahl auf Koch einzuhämmern."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch in der SPD wird über den richtigen Kurs diskutiert: Der ehemalige Juso-Vorsitzende Björn Böhning wies Warnungen von SPD-Spitzenpolitikern wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück zurück, die Sozialdemokraten dürfe sich nicht zu stark links ausrichten. Er glaube, dass jene, die vor einem Linksrutsch warnen, tatsächlich einen Rechtsruck vorbereiteten, sagte der designierte Sprecher der Parteilinken der "Süddeutschen Zeitung".

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DPA/AP