Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwochmorgen mit 691,8 angegeben. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 5 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 702,4 gelegen (Vorwoche: 678,8; Vormonat: 331,8). Das ist deutlich mehr als alle Inzidenzwerte der Corona-Sommern 2020 und 2021 – und dabei liefert die Inzidenz momentan nicht einmal ein vollständiges Bild der Infektionslage.
"Das Infektionsgeschehen wird schon seit langem nicht mehr angemessen erfasst", sagte etwa Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte (BDL), am Dienstag. Denn "allzu oft" folge auf einen positiven Antigentest kein PCR-Test. Deswegen weist der BDL darauf hin, dass Menschen mit einem positiven Corona-Schnelltest Anspruch auf einen bestätigenden PCR-Test haben. In Teilen der Bevölkerung sei dies nicht bekannt, so dass die Corona-Statistik das wahre Ausmaß der Pandemie nicht abbilden könne, so Bobrowski. Denn nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik.
Rückgang bei Corona-Schnelltests, aber mehr PCR-Tests
Der BDL erwartet, dass wegen rückläufiger Nachfrage bei den sogenannten Bürgertests über den Sommer weitere gewerbliche Testzentren schließen werden. Nach Einschätzung des Verbands hat es bei den Bürgertests seit ihrer Beschränkung Ende des vergangenen Monats Rückgänge um 20 bis 30 Prozent gegeben.
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Dagegen meldet der Berufsverband der Akkreditierten Medizinischen Labore in Deutschland (ALM e.V.) für die Zeit vom 27. Juni bis 10. Juli steigende PCR-Testzahlen. In dieser Zeit hätten die Labore 867.349 PCR-Tests durchgeführt. "Im Vergleich zur Vorwoche stiegen sowohl die Gesamtzahl der angeforderten Tests um weitere 3 Prozent als auch die Zahl der positiv befundeten um 4 Prozent", schreibt ALM in einer Pressemitteilung.
Kritik an Kompromiss zu Bürgertests
Anfang Juli hatten sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die kassenärztlichen Vereinigung hatten sich auf einen Kompromiss bei den neuen Bürgertests geeinigt. Demnach werden die kassenärztlichen Vereinigungen weiterhin die Abrechnungen der Testzentren entgegennehmen und Auszahlungen vornehmen. Danach werden die Daten an den Bund weitergegeben, der Tests und Ergebnisse auf Plausibilität überprüft und Auffälligkeiten an die Ordnungsbehörden der Kommunen meldet.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat sich vergangenen Freitag dafür ausgesprochen, die neue Kosten-Regelung zu den Corona-Tests zu überdenken. "Diese Testfrage, die müssen wir uns auch nochmal anschauen", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag im Deutschlandfunk. "Es sollte nicht am Geldbeutel hängen, ob ich mich testen lasse oder nicht." Es gehe darum, dass Leute mit wenig Geld und sozial schwache Kinder sich weiter testen lassen könnten, sagte sie und meinte offensichtlich: sich weiter kostenlos testen lassen könnten.

Lauterbach widerspricht wegen Durchseuchung
Lauterbach (SPD) wehrt sich gegen Vorwürfe, die Regierung unternehme zu wenig gegen die Verbreitung des Coronavirus und schwere Erkrankungen. Viele Bürger fragten sich, ob jetzt eine Durchseuchung durch die Hintertür komme, schrieb der Minister am Samstag im Kurznachrichtendienst Twitter. "Nein", versicherte er – der von ihm im Juni vorgestellte Sieben-Punkte-Plan zur Vorbereitung auf den Herbst laufe schon an. Dazu gehöre unter anderem "ein für alle Infektionsstufen ausreichendes Infektionsschutzgesetz", betonte der SPD-Politiker und fügte hinzu: "Ich verzichte gerne auf Urlaub dafür".
Sollte sich wie in den vergangenen Jahren im Herbst eine neue Corona-Welle aufbauen, würde sie von einem höheren Niveaus starten als in den vergangenen Jahren. Momentan sind laut RKI mehr als drei Viertel der bekannten Infektionen auf die Corona-Variante BA.5 zurückzuführen, die der Immunabwehr von Geimpften und Genesenen besser entgeht. Eine neue Impfkampagne der Bundesregierung soll wohl dafür sorgen, dass gerade Risikogruppen und ältere Menschen besser vor einem schweren Verlauf geschützt werden. Noch ringen Gesundheitsminister Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann (FDP) um eine neue gesetzliche Grundlage für Corona-Maßnahmen ab Ende September. Noch im Juli wollen sie einen Vorschlag vorstellen.
Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 127.611 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 130.728) und 104 Todesfälle (Vorwoche: 122) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen und Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 29.308.100 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Weitere Quellen:RKI-Dashboard, "Süddeutsche Zeitung".