Django Asül über Merkel, Westerwelle und Schäuble Deutschland ist prima. Der Laden läuft.

Eine satirische Problemanalyse von Django Asül
Im Jahr 2010 war alles großartig - laut Kanzlerin Merkel. 2011 wird Guido Westerwelle womöglich im merkelschen Wassergraben untergehen, während Wolfgang Schäuble die alles andere als wasserdichten Steuervereinfachungen gerne ins Jahr 2012 verschieben würde.

Die Neujahrsansprache der Kanzlerin kam zum exakt richtigen Zeitpunkt. Manch ein Bürger hatte nämlich ein latent mulmiges Gefühl, wie es denn eigentlich ganz generell weitergehen soll. Die Botschaft von Angela Merkel war da das ideale Gegenmittel. Ohne Umschweife kam sie gleich auf den Punkt: Das Jahr 2010 war bombastisch für Deutschland. Deutschland ist prima. Der Laden läuft. Und 2011 wird mindestens genauso gut. Deshalb ran an die Arbeit und nicht miesepetrig durch die Gegend laufen. Ach ja, beim Thema Europa hat die Chefin der Republik auch nicht gekniffen. Europa sei eine gute Geschichte. Und wenn Europa zu doof ist, über die Runden zu kommen, würde Deutschland einfach die Lufthoheit übernehmen. Garniert werde das neue Jahr zudem mit Steuervereinfachungen und selbstverständlich auch mit Entlastungen. Das klang alles sehr überzeugt und überzeugend.

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Und zwar so sehr, dass Finanzminister Schäuble nun seine Vorgesetzte einerseits beim Wort nimmt, andererseits aber eine eigene Schlussfolgerung daraus ziehen will. Für Schäuble ist nämlich klar: Wenn eh alles in Butter ist, könne man ja alles so lassen wie es ist. Oder zumindest die fiskalischen Geschichten ins Jahr 2012 schieben, weil das sowieso a) nur Arbeit macht und b) nur ein Tropfen auf den heißen Geldbeutel sei. Und wo Schäuble Recht hat, hat er schon mal nicht Unrecht. Wenn der Arbeitnehmer-Pauschbetrag um 80 Euro steigt, bricht nicht unbedingt ein Kaufrausch 2.0 aus. Und die geplante kürzere Aufbewahrungsfrist für Steuerunterlagen hat eher einen negativen Effekt, weil solche Andenken einen immer wieder daran erinnern, dass im Finanzamt Leute sitzen, die sich gerne mit ihren Mitmenschen beschäftigen. Mehr Kuschelfaktor geht nicht.

Doch gibt es enormen Widerstand gegen diesen Schäubleschen Vernunftanfall. Am lautesten sogar aus dem Lager des Finanzministers statt von der Opposition! Sogar rückwirkend soll einiges vorgezogen werden! Die Zukunft wird quasi steuerlich in die Vergangenheit verlegt! Wenn die Bürger im Schnitt pro Monat einen Euro mehr Einkommen haben und durch steigende Abgaben und Gebühren aber das Hundertfache des Mehr wieder beim Staat abliefern dürfen, entsteht beim Steuerpflichtigen das Gefühl, dass er bei Schwarzgelb gut aufgehoben ist. So in etwa ist jedenfalls die Argumentation aus den Reihen der Regierungsparteien. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion beispielsweise ist der Meinung, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Bundesregierung für Europa Milliarden hat und bei den Millionen für die eigenen Bürgerinnen und Bürger knausert. Es geht also wieder mal darum, diverse Eindrücke zu vermeiden anstatt Widrigkeiten. Das ist allemal besser als eine tatsächliche Entlastung, die aber keiner mitkriegt. Wer noch mehr Geschenke vom deutschen Fiskus will, muss eben hoch verzinste griechische Anleihen kaufen, deren Rückzahlung von deutschem Steuergeld abgesichert ist. Bei so einer Aktion entsteht zwar der Eindruck, man hätte sein Geld in den Gully geschmissen, aber mit Angela Merkel als Bürgen kann der Euro selbstredend gelassen nach vorne blicken. Und wo der Eindruck am meisten zählt, ist natürlich die FDP generell nicht weit. Vielleicht wehrt sich Schäuble gerade deshalb so vehement gegen die jüngsten Wünsche aus der Koalition. Schäuble ist und bleibt ein Macher, der nicht groß herumpalavert. Und just er soll mittels Änderungen beim Steuerkleinstkram dafür sorgen, dass die FDP sich pünktlich zu ihrem Dreikönigstreffen wieder als Steuersenkungsmaschinerie gerieren kann? Und damit quasi Westerwelles Gesicht rettet, weil der Kopf ohnehin schon verloren ist?

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Dabei ist sich ja nicht mal die FDP richtig sicher, wie viel Enthusiasmus sie in das diesjährige Dreikönigstreffen legen will. Eigentlich will man den König loswerden. Aber die Drecksarbeit soll der König selber machen. Keiner will den Königsmörder geben. Weil keiner auch so recht Nachfolger von Westerwelle als Parteichef werden will. Die Stimmung im gesamtgelben Lager ist eindeutig. Es gibt lediglich einen ganz dünnen Forderungskatalog: Westerwelle kann gerne Chef der FDP bleiben, wenn er die Partei binnen 48 Stunden auf die von ihm selber seinerzeit ausgelobten 18 Prozent schießt und eine vernünftige Steuerreform inklusive Steuersenkungen durchpeitscht. Und zwar nicht nur für Hotelbetreiber, sondern auch für Hotelgäste und Hotelboykottierer. Also für alle bis auf die spätrömischen Dekadenten.

Die Liberalen wollen somit, dass Westerwelle an sich selber scheitert und nicht an der Partei. Da kommen ihnen aber die Koalitionspartner in die Quere. Für Merkel und Seehofer, die von Westerwelle rein persönlich in etwa so viel halten wie Westerwelle von Steuererhöhungen, wäre ein Scheitern von Guido gleichsam ein Scheitern der Koalition. Und deshalb drängen CDU und CSU auf einen Erhalt der Hülle Westerwelle, weil gerade die Inhaltslosigkeit Guidos der Kanzlerin hilft, sich auf eigenen Wunsch hin im Kreise zu drehen, um Stillstand als Dynamik zu verkaufen. Selbst Horst Seehofer verkündet neuerdings öffentlich: Ich habe die Hoffnung, dass sich die FDP stabilisiert. Das hat er früher auch schon mal gesagt. Nur: Diesmal meint er es nicht ironisch.

Und Westerwelle wird wissen: Wenn Merkel und Seehofer jetzt zu seinen Unterstützern zählen, lassen sie ihn bis zum Hals genau in dem Wasser stehen, dass sie ihm seit der Bundestagswahl abgegraben haben.