Der Streit zwischen Regierung und Union um einen EU-Beitritt der Türkei verschärft sich. CSU-Chef Edmund Stoiber und der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) bekräftigten am Mittwoch ihre ablehnende Haltung. "Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei kommen nicht in Betracht", erklärte Stoiber laut "Süddeutscher Zeitung". Er sagte weiter, es bestünden nach wie vor massive Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei. Die Reformansätze müssten erst noch weiter entwickelt und umgesetzt werden. Der Vizepräsident des Europaparlaments, Ingo Friedrich (CSU), nannte den „Schmusekurs“ der Bundesregierung mit Ankara gefährlich. Auch führende Europa-Abgeordnete der Union sprachen sich klar gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus. "Die finanziellen Folgen einer Vollmitgliedschaft der Türkei sind untragbar", sagte der Vizepräsident des Europaparlaments und stellvertretende CSU- Vorsitzende Ingo Friedrich.
Teufel: Türkei kein europäisches Land
Ganz rigoros zeigte sich der baden-würtenbergische Ministerpräsident Teufel. "Die Beziehungen zur Türkei sollten weiter intensiviert werden, aber eine Vollmitgliedschaft ist für mich derzeit nicht vorstellbar", erklärte er. Die Türkei sei kein europäisches Land, 95 Prozent des Staatsgebietes lägen in Asien. "Wenn Bundeskanzler Schröder für einen Beitritt der Türkei plädiert, muss er auch die Frage beantworten, ob die Ukraine, Marokko oder Israel ebenfalls Mitglieder der Europäischen Union werden können. Man muss schon einmal die Frage stellen, wo die Grenzen Europas liegen."
Schröder: Beitritt "im Interesse des Landes"
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Haltung der Union zuvor als "billige Polemik" und "Wahlkampfgetöse" bezeichnet. Er selber sei überzeugt, der Beitritt der Türkei liege im Interesse Deutschlands.
Erdogan warnt vor innnenpolitischer Instrumentalisierung
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte die Auseinandersetzung am dritten Tag seines Berlin-Besuchs erneut. Die Frage eines EU-Beitritts der Türkei dürfe nicht innenpolitisch ausgenutzt werden, sagte er bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Deutschland spiele eine Schlüsselrolle hinsichtlich der Ende 2004 anstehenden Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.
Europa "politische Wertegemeinschaft"
Den Einwand, die Türkei passe als islamisches Land wegen kultureller Unterschiede nicht in die EU, wies der türkische Ministerpräsident entschieden zurück. Die EU sei kein "christlicher Club", sondern eine politische Wertegemeinschaft. "Die Werte, denen sich die Türkei verschrieben hat, sind die Werte, die den westlichen Demokratien zu Grunde liegen."

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Der türkische Ministerpräsident warnte davor, dass ein Ausschluss seines Landes aus der EU zu einer Teilung Europas führen könnte. Eine in die EU integrierte Türkei werde ein unverzichtbare Rolle bei der Vermeidung politischer und kultureller Trennungen darstellen.