Europäisches Gipfeltreffen Demonstrativer Schulterschluss

Schrille Töne hatten den Berliner Sondergipfel der "großen Drei" eingeläutet. Am Ende unterzeichneten Chirac, Blair und Schröder fast theatralisch einen Brief an EU-Rat und -Kommission, mit dem sie ihre Vorstellungen für Europa auf den Tisch legten.

Eigentlich sollte es nur ein "Denkanstoß" für den nächsten EU-Gipfel im März sein. Aus dem deutsch-französischen-britischen Berliner Spitzentreffen ist dann doch deutlich mehr geworden.

Fast theatralisch, vor laufenden Kameras unterzeichneten Jacques Chirac, Tony Blair und Gerhard Schröder am Mittwochabend im Berliner Kanzleramt einen Brief an EU-Rat und EU-Kommission, mit dem sie ihre Vorstellungen für mehr Wachstum und Sozialreformen in Europa auf den Tisch legten.

Fixpunkte der drei Großen

Zwei Kernpunkte: Die drei wollen, dass es in der künftigen EU-Kommission einen Vizepräsidenten gibt, der für die Wirtschaftsreform in der Union zuständig ist. Dieser Super-Kommissar soll gleichzeitig eine Koordinierungsfunktion gegenüber allen anderen Kommissaren haben, die sich mit dem Thema beschäftigen. Zweiter Fixpunkt der drei: Die Ein-Prozent-Deckelung der EU-Ausgaben bis 2013 ist nochmals sozusagen feierlich festgeschrieben worden. An beiden Punkten wird kaum eine Brüsseler Kommission mehr vorbei können.

Auch die restliche Latte von meist schon öfter geäußerten Vorschlägen für mehr Wettbewerb, Wachstum und Innovation in Europa entfaltet ihre Bedeutung vor allem wegen der Form, in der sie vorgetragen wurde. Sie liest sich streckenweise wie ein Sünderregister der Kommission.

Schrille Töne hatten den Berliner Sondergipfel der "großen Drei" in der EU eingeläutet. "EU-Superkommissar", "Direktorium", "Angriff auf Brüssel" lauteten einige Schlagzeilen. Der Tenor noch am Mittwoch aus der Regierung von Silvio Berlusconi in Italien: "Wir wollen nicht EU-Bürger zweiter Klasse sein."

"Niemand ist ausgeschlossen"

Die Reaktion der drei darauf war unaufgeregt, aber deutlich in der Sache. "Wir müssen uns hier nicht entschuldigen...Es ist keine exklusive Veranstaltung, und niemand ist ausgeschlossen", sagte ausgerechnet Blair, der bisher nicht zum "EU-Motor" gehörte. Fast wortgleich dann die Formulierungen der drei: "Wir wollen niemanden dominieren...Was wir hier tun, ist gut für Europa." Deutlicher kann man einen Führungsanspruch kaum formulieren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Und Chirac machte auch klar, dass man sich an das neue Format dieser Treffen in der EU künftig wird gewöhnen müssen. "Alle Treffen, die es uns ermöglichen, gemeinsam bestimmte Visionen für Europa zu entwickeln, werden wir auch durchführen."

Schröder, Blair und Chirac schlugen auf jeden Fall in Berlin für die anstehenden Weichenstellungen in Europa Pflöcke ein. Bei den extrem schwierige Finanzverhandlungen wollen sie hart bleiben. Für die Zusammensetzung und Aufgabenverteilung in der nächsten EU- Kommission haben sie Vorgaben gemacht. Und schließlich wollen sie, dass die EU-Verfassung noch in diesem Jahr kommt.

Zweifel am EU-Dreier-Bündnis

Mit welchen Positionen sie in die heiklen Machtkämpfe der nächsten Monate in der EU im Einzelnen gehen werden, dazu sagten die drei öffentlich in Berlin allerdings nichts. So gibt es auch Zweifler, die sich nicht sicher sind, wie lange das neue EU-Dreier-Bündnis halten wird, wenn es wirklich ans Eingemachte geht.

DPA
Frank Rafalski