Finanzgericht "Soli" ist möglicherweise verfassungswidrig

Paukenschlag aus Hannover: Das niedersächsische Finanzgericht hält den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig. Die Richter gaben einem Angestellten Recht, der gegen den Soli geklagt hatte. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. In der Politik löste das Urteil umgehend eine Debatte aus.

Erstmals in Deutschland hat ein Gericht den seit fast 20 Jahren erhobenen Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig eingestuft. Das niedersächsische Finanzgericht verwies die Klage eines leitenden Angestellten gegen den für den "Aufbau Ost" eingeführten "Soli" deswegen am Mittwoch zur grundsätzlichen Klärung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dasselbe Finanzgericht hatte bereits die Pendlerpauschale zu Fall gebracht.

Konkret ging es am Mittwoch in Hannover um die Klage eines leitenden Angestellten, der 2007 rund 1000 Euro Solidaritätszuschlag zahlen musste und mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) eine Aufhebung seines Steuerbescheides fordert. Er moniert, dass der "Soli" zu einer Dauersteuer geworden sei.

"Kosten für die Einheit sind langfristiger Bedarf"

Richterin Georgia Gascard sagte, das Motiv für die Einführung des "Soli" seien die Kosten für die Einheit gewesen. "Dabei handelt es sich aber um einen langfristigen Bedarf, der nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gedeckt werden durfte." Eine Ergänzungsabgabe wie der "Soli" diene nach den Vorstellungen des Verfassungsgesetzgebers aus dem Jahr 1954 nur der Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen, betonte Gascard.

Der Zuschlag wurde kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1991 eingeführt, zunächst nur für ein Jahr. Damit sollte vor allem der wirtschaftliche Aufbau im Osten finanziert werden. Allerdings führte die damalige schwarz-gelbe Koalition den Zuschlag 1995 erneut ein - diesmal unbefristet und mit einem Satz von 7,5 Prozent. Seit 1998 liegt der Soli bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent. Er wird aber längst nicht mehr nur ausschließlich für den Aufbau Ost verwendet.

Bisher 185 Milliarden Euro "Soli"-Einnahmen

Das Bundesfinanzministerium geht trotz des Richterspruchs aus Hannover nicht davon aus, dass der Zuschlag auf die Einkommensteuer für verfassungswidrig erklärt wird. "Damit rechnen wir nicht", sagte ein Sprecher.

Der Bund der Steuerzahler sieht sich dagegen in seiner Auffassung bestätigt. "Es ist für mich undenkbar, dass eine Ergänzungsabgabe zu einer Dauersteuer werden darf", sagte BdSt -Präsident Karl Heinz Däke. Eine Überprüfung des "Soli" werde Rechtssicherheit schaffen. Mit Rückzahlungen für die Steuerzahler rechne er aber nicht.

Der Zuschlag spülte bisher gut 185 Milliarden Euro in die Staatskassen, 2008 waren es laut Bundesfinanzministerium 13,1 Milliarden. Ohne "Soli" müsste die schwarz-gelbe Koalition um ihre Steuerpläne fürchten. Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch betonte: "Sollte das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Finanzgerichts folgen, dann haben sich alle Steuersenkungspläne der Bundesregierung mit einem Schlag erledigt."

FDP fordert schrittweisen "Soli"-Abbau

Die FDP stellte die Sonderabgabe am Mittwoch grundsätzlich in Frage. Der finanzpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Carl-Ludwig Thiele, erklärte in Berlin: "Im Rahmen einer umfassenden Steuerreform sollte der Solidaritätszuschlag schrittweise abgebaut werden und spätestens mit dem Ende des Solidarpaktes II im Jahre 2019 auslaufen." Der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, Volker Wissing (FDP), sagte der "B.Z.", aus einer Sonderabgabe dürfe keine Dauerabgabe werden. "Da ist der Soli im Grenzbereich. Deshalb stehen wir einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit offen gegenüber." Der Fraktionschef der FDP in Nordrhein-Westfalen, Gerhard Papke, sagte dem "Handelsblatt": "Der Solidaritätszuschlag hat sich überlebt. Wenn die Politik bisher nicht die Kraft hat, dem Soli den Garaus zu machen, dann hilft vielleicht jetzt ein höchstrichterlicher Impuls."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach sagte der "Thüringer Allgemeinen", die Solidarität mit den ostdeutschen Ländern sei auch ohne den Steueraufschlag wichtig. Dagegen hält der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, der CDU-Politiker Leo Dautzenberg an dem Zuschlag fest. "Die Union steht fest zum Aufbau Ost. Dazu leistet der Solidaritätszuschlag einen unverzichtbaren Beitrag", erklärte er. Dieser sei gerade in der Krise unverzichtbar.

DPA
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