Ansprache zu Ostern Bundespräsident Steinmeier: Corona-Pandemie ist "eine Prüfung unserer Menschlichkeit"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an seinem Schreibtisch im Schloss Bellevue kurz vor seiner Ansprache
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an seinem Schreibtisch im Schloss Bellevue kurz vor seiner Ansprache: "So viele von Ihnen wachsen jetzt über sich selbst hinaus."
© Sven Hoppe / AFP
Sehen Sie im Video einen Auszug aus der Oster-Ansprache von Bundespräsident Steinmeier.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich in einer außergewöhnlichen Rede an die Menschen in Deutschland gewandt. Er würdigt die Menschen dafür, wie sie mit den harten Einschränkungen leben - und richtet einen Appell an die Zukunft.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Menschen in Deutschland in einer Fernsehansprache zum Osterfest zu Geduld und Disziplin aufgerufen. Wann und wie die Einschränkungen wegen der Corona-Krise gelockert werden könnten, entschieden nicht allein Politiker und Experten, sagte er in der Ansprache, die am Samstagabend ausgestrahlt wurde. "Sondern wir alle haben das in der Hand." Steinmeier nannte die Pandemie "eine Prüfung unserer Menschlichkeit" und bat darum, Hilfsbereitschaft und Solidarität auch nach der Krise zu erhalten.    

"So viele von Ihnen wachsen jetzt über sich selbst hinaus", sagte Steinmeier laut Redetext. Er wisse natürlich auch, dass sich alle nach Normalität sehnten. Das heiße aber nicht, möglichst schnell "zurück in den alten Trott, zu alten Gewohnheiten" zu kehren. "Die Welt danach wird eine andere sein", sagte der Bundespräsident. Es gehe darum, aus der Krise zu lernen.

Frank-Walter Steinmeier: Wir stehen an einer Wegscheide

"Wir stehen jetzt an einer Wegscheide", sagte Steinmeier weiter. "Schon in der Krise zeigen sich die beiden Richtungen, die wir nehmen können." Es gehe um die Frage, ob jeder für sich agiere, "Ellbogen raus, hamstern und die eigenen Schäfchen ins Trockene bringen". Oder ob das neu erwachte Engagement für den anderen und für die Gesellschaft erhalten bleibe, "die geradezu explodierende Kreativität und Hilfsbereitschaft".    

Es gehe auch darum, ob wir uns nach der Krise noch daran erinnern, "was unverzichtbare Arbeit - in der Pflege, in der Versorgung, in sozialen Berufen, in Kitas und Schulen - uns wirklich wert sein muss", betonte Steinmeier. Auch stelle sich die Frage, ob die, "die es wirtschaftlich gut durch die Krise schaffen", denen wieder auf die Beine helfen, "die besonders hart gefallen sind".    

"Die Pandemie zeigt uns: Ja, wir sind verwundbar. Vielleicht haben wir zu lange geglaubt, dass wir unverwundbar sind, dass es immer nur schneller, höher, weiter geht", sagte der Bundespräsident. "Das war ein Irrtum."   

Krise zeigt, wie stark wir sind

Die Krise zeige aber auch, "wie stark wir sind" und "worauf wir bauen können". Er sei "tief beeindruckt von dem Kraftakt, den unser Land in den vergangenen Wochen vollbracht hat". Noch sei die Gefahr aber nicht gebannt.    

Durch die Einhaltung der radikalen Einschnitte habe jeder "Menschenleben gerettet und rettet täglich mehr", sagte Steinmeier. Er bat "auch weiterhin um Vertrauen, denn die Regierenden in Bund und Ländern wissen um ihre riesige Verantwortung".   

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

"Vieles wird in der kommenden Zeit sicher nicht einfacher", sagte Steinmeier zum Abschluss seiner Ansprache. "Aber wir Deutsche machen es uns sonst ja auch nicht immer einfach. Wir verlangen uns selbst viel ab und trauen einander viel zu." Er betonte: "Wir können und wir werden auch in dieser Lage wachsen."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach Absprache mit Steinmeier auf ihren samstäglichen Videopodcast verzichtet. Die neun Minuten lange Fernsehansprache des Bundespräsidenten galt als außergewöhnliches Zeichen - normalweise wendet sich das Staatsoberhaupt nur zu Weihnachten in dieser Form an die Menschen. So hatte sich Bundespräsident Heinrich Lübke am 31. August 1961 zum Mauerbau in Berlin geäußert. Am 21. Juli 2005 wandte sich Bundespräsident Horst Köhler an die Bürger, nachdem er den Bundestag aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt hatte.

AFP · DPA
tis