Bundespräsident in Katar Warum Frank-Walter Steinmeier kurzfristig auf Stippvisite in Doha ist

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Katar
Katar, Doha: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, Emir von Katar, begrüßt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor dem Palast des Emirs
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Erst Israel, dann Oman – nun besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kurzfristig Katar. Ein schwieriger Partner, aber auch ein wichtiger Vermittler zwischen Israel und der Hamas.

Frank-Walter Steinmeier wirkte etwas verloren – sogar seine Frau hatte ihn verlassen. Alle anderen Passagiere waren nach der Landung in Doha schon aus dem Luftwaffen-Airbus ausgestiegen. Nur der Bundespräsident musste in der Flugzeugtür noch auf die Offiziellen warten, die ihn am Fuße der Gangway begrüßen sollten. 

Die Ehrenformation hatte Aufstellung genommen, der rote Teppich war ausgerollt, selbst die Limousine mit den Standarten wartete abfahrbereit in der Hitze des Wüstenstaates. Doch erst nach fast 30 Minuten konnte der Bundespräsident katarischen Boden betreten – ein ungewöhnlicher Auftakt für einen ohnehin schwierigen Besuch. Doch das Ende sollte besser werden als der Anfang.

Steinmeier war am Sonntag zuerst nach Israel gereist, dann in den Oman. Kurzfristig hatte er noch eine Stippvisite in Doha ins Programm aufgenommen. Katar ist ein wichtiger Akteur im Nahen Osten, derzeit vor allem bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas. Und Steinmeier hat auch als Bundespräsident nie aufgehört, sich ein bisschen als Außenminister zu fühlen. Natürlich nicht in Konkurrenz zur zuständigen Ministerin und dem Kanzler, mit denen er sich vor der Abreise abgestimmt hat – er versteht sich wohl eher als Ergänzung. Katar ist ein schwieriger Partner. Die Familie des Emirs beherrscht die Politik. Die Menschenrechtslage, die rund um die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft 2022 besondere Aufmerksamkeit erhielt, steht weiter in der Kritik.

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Trotzdem sind die Beziehungen zu Deutschland in den vergangenen Jahren enger geworden. Katar half der Bundeswehr 2021 beim Abzug aus Afghanistan. Der Emir hat wiederholt Berlin besucht, zuletzt kurz nach dem Angriff der Hamas. Auch Steinmeier hat er Anfang Oktober erst getroffen. Man kennt sich – so wie Steinmeier viele Akteure in der Region schon lange kennt. Von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu über den Sultan von Oman bis eben zum Emir von Katar.

Kritiker sagen, Deutschland begebe sich mit den engen Beziehungen zum Emirat energiepolitisch in die nächste Abhängigkeit. Nach Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine und dem Lieferstopp für russisches Gas reisten Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz nach Doha, um Lieferverträge für LNG zu ermöglichen. Von 2026 an sollen pro Jahr bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssiggas per Schiff nach Deutschland gebracht werden.

Bundespräsident Steinmeier hofft auf gute Nachrichten

Der Angriff der Hamas am 7. Oktober und Israels Krieg im Gaza-Streifen hat Katar erneut in eine Vermittlerposition gebracht. Premierminister Muhammad bin Abdulrahman Al Thani gilt als der Mann, der zusammen mit den USA die erste Feuerpause bewirkt hat. "Es ist zumindest gelungen, eine positive Dynamik zu erzeugen", sagte Al Thani Anfang der Woche der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Nun hofft er, dass sich sogar eine Beruhigung der Lage und am Ende sogar eine Friedenslösung erzielen lässt. "Ich glaube, was uns wirklich auszeichnet, ist die Beharrlichkeit, mit der wir es immer wieder versuchen. Wir geben nicht so schnell auf."

Deutschland hat diese Aufwertung Katars in der internationalen Politik einiges abverlangt. Außenministerin Annalena Baerbock wählte kurz vor dem Besuch des Emirs in Berlin Anfang Oktober noch schroffe Worte: Staaten wie Katar, die die Hamas unterstützt hätten, habe man "sehr deutlich gemacht hat, dass sie eine Verantwortung haben, diesem brutalsten Terror jetzt klar die Stirn zu bieten". Wie der "Spiegel" jüngst berichtete, musste sie sich daraufhin belehren lassen, dass die katarischen Hilfszahlungen mit Israel und den USA koordiniert würden und strengen Kontrollen unterlägen. Deshalb äußerte sich Baerbock nach dem Treffen mit dem Emir deutlich freundlicher.

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Steinmeier hofft auf weitere Freilassungen von Geiseln

Ein weiterer Grund liegt auf der Hand: Für die Befreiung der von der Hamas und anderen Entführern verschleppten Geiseln, unter ihnen noch immer etwa 15 deutsche Staatsbürger, ist man auch in Berlin auf die Hilfe des Emirats angewiesen. Premierminister Al Thani lässt Vorwürfe wegen der engen Verbindungen zur Hamas an sich abtropfen. "Die Leute, die uns öffentlich kritisieren und hinter verschlossenen Türen um Hilfe bitten, nehmen wir nicht ernst." Selbst Israel habe in den vergangenen Jahren immer wieder um Unterstützung gebeten, um Ruhe in Gaza sicherzustellen. Und mit Blick auf die Bundesregierung sagt er: "Wir haben gute Beziehungen zu Deutschland. Gerade die Zusammenarbeit mit dem Kanzleramt funktioniert sehr gut." Vom Auswärtigen Amt kein Wort.

Als Steinmeier von seinem Treffen samt Mittagessen mit dem Emir kommt, wirkt er ernst, aber vorsichtig zuversichtlich. Eineinhalb Stunden haben die beiden Männer zusammengesessen, etwa eine halbe Stunde auch unter vier Augen. Er habe Scheich Tamim bin Hamad Al Thani seinen "ausdrücklichen Dank" abgestattet für die Bemühungen, die Geiseln zu befreien, gerade auch die deutschen Staatsbürger. Von ihnen seien elf mittlerweile wieder in Israel. Und, so fügte der Bundespräsident hinzu: "Ich hoffe, dass wir in den nächsten Tagen weitere gute Nachrichten erwarten können."

fs