Ganz am Schluss der Reise wurde das Thema Döner dann sogar noch einmal hochoffiziell behandelt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Staatspräsidenten wird Steinmeier gefragt, ob die Döner-Debatte nicht Zeichen dafür sei, wie oberflächlich die deutsch-türkischen Beziehungen geworden seien. Steinmeier schaut erst ein wenig gequält, dann sagt er, dass er die ganze Aufregung "eher als Zeichen für die Oberflächlichkeit der Debatte" bewerte.
Ok, ein letztes Mal, dann ist wirklich genug über den bundespräsidialen Döner gesagt, geschrieben und geschimpft worden. Es folgt eine kurze Ehrenrettung, für den Döner und für Frank-Walter Steinmeiers Idee, den Berliner Imbissbetreiber Arif Keleş und seinen 60-Kilo-Fleischspieß aus Berlin nach Istanbul mitzunehmen.
Der Döner ist die Klammer nicht nur dieser Reise, sondern auch der Reise jener vielen jungen türkischen Männer und Frauen, die ab 1961 am Istanbuler Bahnhof Sirkeci begann, den Steinmeier am ersten Tag seines Besuchs besichtigte. Der Döner ist ein Symbol für die letztlich gelungene Ankunft jener einst Gastarbeiter genannten Menschen in Almanya. Ein Schnellgericht entwickelt aus einer heimatlichen Speise, das über die Jahre und Jahrzehnte zum gar nicht mal so heimlichen Nationalgericht der Deutschen geworden ist.
Bedenkt man die Ablehnung und Feindseligkeit, mit der die deutsche Mehrheitsgesellschaft lange Jahre den Einwanderern gegenüberstand, mit welcher Geringschätzung sie insbesondere auf ihre kulinarischen Spezialitäten herabgesehen hat, auf Knoblauch und Köfte genauso wie auf Spaghetti, und dann sieht, mit welcher Inbrunst diese Deutschen heute täglich tonnenweise Döner verspeisen – dann scheint dieser Döner kein ganz schlechtes Symbol zu sein dafür, wie diese Urdeutschen die einst Fremden in sich aufgenommen haben.
Reise mit Steinmeier war Anerkennung für die Lebensleistung
Vor zehn Jahren hätte die Geste vielleicht herablassend gewirkt, findet sogar Eberhard Seidel, der Journalist und Soziologe, der die Kulturgeschichte des Döners erforscht und verfasst hat. Heute sei dagegen viel stärker im Bewusstsein der Deutschen verankert, welche herausragenden Leistungen die Einwanderer und ihre Kindeskinder erbrachten und erbringen – vom Regisseur Fatih Akin bis zum Biontech-Gründer-Ehepaar Türeci und Sahin, von der Bundestagsabgeordneten Güler bis zum DHL-Manager Tonguç, von der Penny-Kassiererin bis zum Imbissverkäufer in dritter Generation.
Der Döner ist auch ein Symbol für diese Erfolgsgeschichte. Der Berliner Döner ist inzwischen selbst zum Exportschlager geworden. Man bekommt ihn heute sogar in New York City. Unter dem Namen "German Döner Kebap" hat vor ein paar Jahren ein Iraner in Dubai einen Imbiss eröffnet, berichtet Experte Seidel. In England formte ein Pakistani die Idee zu einer ganzen Imbisskette, deren Franchise-Filialen mit großer Sicherheit bald auch in Deutschland eröffnet werden.
Und eines bleibt, trotz aller Eulen-nach-Athen-Polemik und Erdoğan-bringt-Kartoffelsalat-nach-Berlin-Witze: Für Arif Keleş, den Berliner Imbissbetreiber aus der Yorckstraße, war die Reise in die Heimat seines Großvaters an der Seite des Bundespräsidenten die Anerkennung der Lebensleistung seiner Familie. Eine große Ehre. Und auch ein großer Spaß.

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Während der Bundespräsident länglich auf die Döner-Frage antwortete, schaute sein Amtskollege undurchsichtig in den Saal – und sagte dann nur einen Satz: "Ich glaube, der Döner in Istanbul ist aus."
Dann gehen die beiden Präsidenten zum offiziellen Essen. Auf der Karte steht, kein Witz, "Ankara Fleisch Döner".