SPD-Chef Franz Müntefering hat der Union nach der jüngsten Attacke von CSU-Generalsekretär Markus Söder eine organisierte Hetzkampagne gegen die Bundesregierung vorgeworfen. Der Versuch Söders, Bundeskanzler Gerhard Schröder als Helfershelfer von Kinderschändern hinzustellen, zeige "ein Maß an moralischer Verkommenheit, wie wir es lange nicht gesehen haben", sagte Müntefering. In einem Brief an die Parteigliederungen rief er die SPD dazu auf, dennoch Anstand zu wahren und nicht "undiszipliniert in einen Schwinger zu laufen".
Kampf ums politische Konzept aufgegeben
Müntefering warf der Union vor, sie habe den Kampf ums politische Konzept aufgegeben. "Sie setzen auf Lüge und Verleumdung. Sie wollen die Macht. Total", schrieb der Parteichef. Neuer Tiefpunkt sei die Attacke Söders, der den Kanzler in der "Bild am Sonntag" indirekt für Sexualverbrechen an Kindern mitverantwortlich gemacht hatte. Wörtlich hatte Söder erklärt: "Schuld hat zwar immer der Täter, bei Wiederholungstätern aber ist Schröder indirekt für jedes Verbrechen an Kindern mitverantwortlich - weil Rot-Grün keine einzige Regel verschärft hat."
Diese Mischung aus blanker Lüge und Hass wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn Söder nur für sich reden würde, sagte Müntefering nach einer Sitzung des SPD-Vorstandes vor Journalisten in Berlin. Doch CSU-Chef Edmund Stoiber lasse ihn machen, und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel schweige dazu. Für die Demokratie sei ein solch rücksichtsloses Streben nach Macht gefährlicher, als Extremisten es ihr je werden könnten.
In seinem Brief stellte Müntefering die Söder-Attacke in eine Reihe anderer Angriffe der Union, darunter der Vorwurf, Rot-Grün sei mitverantwortlich für das Erstarken der NPD und den dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Es sei völlig klar, dass es sich um eine Kampagne handele, schrieb der Parteichef. Merkel sei mit ihrem Versuch einer politischen Positionierung gescheitert. Die Folge sei, dass die Nerven blank lägen und die Union wild drauf los keile.
Dazu zählten auch die Attacken gegen Außenminister Joschka Fischer wegen der Visa-Affäre. Mit Fischers Kölner Erklärung sei ein wichtiger und richtiger Schritt getan. Damit sei die Voraussetzung für eine umfassende, auf Fakten gründende Aufklärung im Untersuchungsausschuss geschaffen worden. Es grenze an Schizophrenie, wenn die Union trotzdem schon jetzt den Rücktritt Fischers fordere, kritisierte Müntefering. Die SPD versuche trotzdem, eine Linie der Vernunft zu halten. "Denn Schlammschlachten sind das letzte, was Deutschland braucht."
"Der ist über das Ziel hinaus geschossen"
Das sehen in der CDU einige ähnlich. Zumindest gibt es in der CSU-Schwesterpartei Unmut über Markus Söders Äußerungen. "Dieser Vorwurf ist ziemlich daneben", hieß es am Montag in Kreisen des CDU-Präsidiums. Zwar bestehe aus Sicht der Union dringender Handlungsbedarf, die Gesetzeslage zu verschärfen und Frauen und Kinder stärker vor Sexualstraftätern zu schützen. Söders Attacke auf den Kanzler sei in diesem Zusammenhang allerdings überzogen.
Von anderer Stelle im CDU-Präsidium wurde der CSU-Generalsekretär aufgefordert, zur sachlichen Debatte zurückzukehren. "Der ist über das Ziel hinaus geschossen, das ist der Sache nicht hilfreich."