60 Jahre nach dem Attentat auf Adolf Hitler, das der "Führer" leicht verletzt überlebte, haben die militärischen Widerstandskämpfer um Claus Schenk von Stauffenberg einen neuen Platz in der Geschichte gefunden. Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzler Gerhard Schröder nannten sie Patrioten. Der 20. Juli 1944 sei einer der wichtigsten Tage der neueren deutschen Geschichte.
Die zentrale Gedenkfeier fand am Dienstag im Ehrenhof des Bendlerblocks statt. Im Ostflügel hatte Stauffenberg gearbeitet. Im Hof wurden er und drei Mitverschwörer noch in der Nacht nach dem gescheiterten Umsturzversuch standrechtlich erschossen. An der Gedenkfeier nahmen neben Köhler auch die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht teil. Rund 200 Angehörige und Zeitzeugen waren gekommen. Drei Reihen von Kränzen lagen vor der Bronzestatue von Richard Scheibe, dem "Jüngling mit den gefesselten Händen" im Zentrum des Hofs.
Zahlreiche Stauffenbergs waren anwesend
Die Liste der geladenen Gäste und Zeitzeugen las sich wie ein Auszug aus dem Gothaer Adelskalender. Freya Gräfin von Moltke, Witwe von Helmuth James Graf von Moltke (Widerstandbewegung "Kreisauer Kreis"), saß als Ehrengast zwischen Bundespräsident und Bundeskanzler. Viele Stauffenbergs waren gekommen.
Die Nazis hatten die Widerstandskämpfer als Verräter gebrandmarkt, was Jahrzehnte nachwirkte. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, lobte, dass die Zeiten der Schwarz-Weiß-Malerei beim Gedenken an den militärischen Widerstand endlich vorbei seien. Die Verschwörer taugten weder zur heldenhafter Verklärung noch zur ideologischen Verdammung. Vielen Deutschen sei es in der Vergangenheit schwer gefallen, einen entscheidenden Antrieb für Widerstand zu akzeptieren - "nämlich die selbstkritische Wahrnehmung der eigenen Verstrickung".
Als zentrale Motive der Widerständler des 20. Julis nannte Wowereit Schuld und Scham, aber auch Vaterlandsliebe und Pflichtbewusstsein. "Das Beispiel dieser Männer und Frauen zeigt uns, dass Verstrickung in Unrecht und Barbarei nicht ausweglos sein muss; dass Menschen auch in größter Not den Mut zu einer befreienden Tat finden können, sofern sie ihrem Gewissen vertrauen." In der deutschen Geschichte, nach Wowereits Worten reich an "Mutlosigkeit, Opportunismus und Kadavergehorsam", stechen der Mut und die Integrität der Widerstandskämpfer heraus.
"Den entscheidenden Wurf zu wagen"
Schröder sagte, den Verschwörern sei es vor allem darum gegangen, "vor der Welt und vor der Geschichte" ein Zeichen deutschen Widerstands zu setzen. "Den entscheidenden Wurf zu wagen", wie es Generalmajor Henning von Tresckow formuliert hatte. Der Kanzler erklärte, in noch stärkeren Maße gelte das für den Aufstand der Polnischen Heimatarmee, der am 1. August 1944 in Warschau begonnen habe. Die polnischen Widerstandskämpfer hätten gewusst, dass sie die deutschen Besatzer nicht alleine niederringen können. Trotzdem seien sie bis zum Äußersten entschlossen gewesen, ihrem Anspruch auf ein selbstbestimmtes, freies Polen Nachdruck zu verleihen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
"Europa hat heute guten Grund, diese beiden Daten - den 20. Juli und den 1. August 1944 - als flammende Zeichen auf dem Weg zu einer wahren europäischen Wertegemeinschaft zu verstehen und in Ehren zu halten", sagte Schröder. Jetzt, nach 60 Jahren, könne und müsse das europäische Vermächtnis des Widerstands vollendet werden. "Denn der Kampf für Freiheit und Recht, gegen Gewaltherrschaft und militärische Aggression ist die wichtigste Grundlage dessen, was uns in Europa eint - seit der Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai dieses Jahres stärker denn je."