Generaldebatte im Bundestag Scholz schlägt "Deutschland-Pakt" vor: Was es damit auf sich hat

Video: Scholz fordert in Ruck-Rede nationale Kraftanstrengung
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STORY: Hinweis: Dieser Beitrag wird ohne Sprechertext gesendet. O-Ton Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler: "Was die Bürgerinnen und Bürger in einer solchen Lage von uns erwarten, ist doch kein Schattenboxen hier im Bundestag. Sie wollen Orientierung, mutige Kompromisse, zupackende Arbeit für unser Land. Das ist der Anspruch an uns alle. An die Regierungsparteien, die in den letzten Monaten zu viel gestritten haben, und genauso an die demokratische Opposition. So setzen wir denen etwas entgegen, die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache. Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die selbst ernannte Alternative in Wahrheit ein Abbruchkommando ist. Ein Abbruchkommando für unser Land. In der Zeit, in der wir über die Verlängerung einer einzigen U-Bahn-Linie oder ein Hochhaus sprechen und es planen, werden in anderen Ländern ganze Strecken gebaut. Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid und ich bin es auch. Immer, wenn ich in den letzten Monaten in Deutschland unterwegs bin, höre ich die Botschaft: Sorgt dafür, dass wir unser Land auf Vordermann bringen und dass wir schneller werden, unkomplizierter und weniger bürokratisch. So wie das zum Beispiel mit dem Deutschland-Ticket der Fall gewesen ist, das den öffentlichen Nahverkehr so viel attraktiver gemacht hat. so wie mit dem Deutschland-Tempo, in dem wir innerhalb weniger Monate neue Flüssiggas-Terminals ans Netz gebracht haben. Solche Erfolge haben zwei Voraussetzungen. Erstens: moderne Gesetze, schnelle Verfahren, weniger Bürokratie. Und zweitens: die Bereitschaft aller, wirklich alle an einem Strang zu ziehen. Und natürlich auch in eine Richtung. Der Bund, die Länder, Städte und Gemeinden, Unternehmen und Behörden, Verbände und Gewerkschaften. Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre, Jahrzehnte hinweg über unser Land gelegt hat. In meiner Verantwortung als Bundeskanzler möchte ich Ihnen daher heute ein Angebot machen. Mein Vorschlag richtet sich an die 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. An die Landrätinnen und Landräte, an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister überall in unserer Republik. Und mein Vorschlag richtet sich ausdrücklich auch an Sie, verehrter Herr Merz, als Vorsitzender der größten Oppositionspartei, die im Bundesrat, in den Ländern und Kommunen Verantwortung trägt. Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln. Und ich möchte Ihnen deshalb einen Pakt vorschlagen, sagen wir einen Deutschland Pakt. Einen Deutschland-Pakt, der unser Land schneller, moderner und sicherer macht. Tempo statt Stillstand. Handeln statt Aussitzen. Kooperation statt Streiterei."
Die politische Debatte ist um einen Begriff reicher. Der Bundeskanzler schlägt in der Generaldebatte des Bundestags einen "Deutschland-Pakt" vor. Es geht um eine beschleunigte Modernisierung des Landes.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Ländern, Kommunen und der demokratischen Opposition einen "Deutschland-Pakt" zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen. Alle staatlichen Stellen sollten mehr Tempo und Mut zeigen, um das Land von Grund auf schneller, moderner und sicherer zu gestalten, heißt es in einem Positionspapier zur Generaldebatte am Mittwoch im Bundestag.

"Wir müssen das Bürokratie-Dickicht lichten", so Scholz kurz darauf bei der Generaldebatte im Bundestag. Um Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen, sollen Bund und Länder demnach ein umfassendes Paket an Maßnahmen erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Dazu gehörten eine Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, eine Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Wohnungsbau. Auch Großraum- und Schwertransporte sowie wichtige Straßen- und Schienenprojekte sollen vereinfacht werden.

Das sind die Maßnahmen:

  • Weniger Aufwand bei Genehmigungen: Bisher hakt es auch bei der Energiewende daran, dass in Deutschland bei neuen Projekten – zum Beispiel dem Bau von Windrädern – sehr viele Genehmigungen bei unterschiedlichen Behörden einzuholen sind. Nun soll zum Beispiel das allgemeine Verfahrensrecht beschleunigt werden, Baugenehmigungen für mehr Wohnraum sollen einfacher erteilt und Masten fürs schnelle mobile Internet sollen problemlos errichtet werden können.
  • Unternehmen weniger belasten: Damit Firmen gerade bei der Umstellung auf mehr Nachhaltigkeit entlastet werden, sollen ihnen zum Beispiel Investitionshilfen angeboten werden. Sie sollen bessere Konditionen bei Abschreibungen erhalten, damit sie weniger Steuern zahlen müssen. Auch die auf die Zukunft gerichtete Forschung und Entwicklung von Unternehmen soll staatlich begünstigt werden. Die Ansiedelung von High-Tech-Produktion – wie etwa von Computerchips – und von Start-Up-Unternehmen soll erleichtert werden.
  • Moderne Verwaltung: Die Services von Behörden und Ämter sollen weiter digitalisiert werden – bis Ende 2024 sollen wichtige Dienstleistungen wie Anträge auf einen neuen Führerschein oder Personalausweis oder das Eltern- und Bürgergeld "durchgängig" online möglich sein.
  • Mehr Fachkräfte aus dem Ausland anwerben: Das neue Gesetz für eine leichtere Einwanderung von Fachkräften soll nun weiter beschleunigt werden, indem die Verfahren dafür digital ablaufen und nicht an der Bürokratie scheitern. Gleichzeitig soll "irreguläre" Einwanderung besser gesteuert und Abschiebungen sollen schneller durchgeführt werden.

Zum "Deutschland-Pakt" gehört wesentlich die Digitalisierung

Das Onlinezugangsgesetz werde die flächendeckende Digitalisierung vorantreiben. 15 Leistungen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders wichtig seien, sollten bis Ende 2024 digital zur Verfügung stehen. Dazu gehöre die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes. Auch die Anmeldung eines Unternehmens und einer Handwerksgründung sollten online erfolgen können.

Neue Impulse setze der "Deutschland-Pakt" mit dem Wachstumschancen-Gesetz, das ein Volumen von mehr als 32 Milliarden Euro habe, heißt es in dem Papier weiter. Mit dem Klima- und Transformationsfonds werde der Bund Investitionen in klimaneutrale Produktion und die Versorgung Deutschlands und Europas mit strategisch wichtigen Technologien und Rohstoffen sicherstellen.

Zudem müsse es einfacher werden, Start-Ups zu gründen und erfolgreich zu machen. Dazu werde das Zukunftsfinanzierungsgesetz die Rahmenbedingungen für Start-Ups und Wachstumsunternehmen verbessern.

"Deutschland-Pakt" war einmal ein rechtes Bündnis

Der Begriff "Deutschland-Pakt" ist nicht unbelastet. Unter dem Schlagwort haben rechtsextreme Parteien in Deutschland vor fast 20 Jahren gemeinsame Sache gemacht. Im Jahr 2005 vereinbarten die Parteien NPD und DVU miteinander, bei Wahlen in den Bundesländern nicht zugleich antreten und sich stattdessen gegenseitig unterstützen zu wollen. Kandidaten der einen Partei konnten auf Kandidatenlisten der anderen auftauchen. Damit sollten Wähler und Wählerinnen vom rechten Rand gebündelt werden.

Informell gab es bereits zuvor eine solche Absprache: So trat etwa zur Landtagswahl in Sachsen 2004 nur die NPD an und zog mit ihrem besten Ergebnis von 9,2 Prozent in den Landtag ein. In Brandenburg gelang der DVU 2004 mit 6,1 Prozent der Wiedereinzug ins Parlament. Auch in Kommunalwahlen teilten sich die Parteien auf.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Im Juni 2009 kündigte die NPD den "Deutschland-Pakt" mit der DVU auf und kündigte an, in der damals bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg selbst antreten zu wollen. Hintergrund der Entscheidung waren damals schwere Zerwürfnisse zwischen den beiden Parteien in dem Bundesland. Die auch rechtsextremen Republikaner wollten mit der NPD aber keine gemeinsame Sache machen und blieben dem "Deutschland-Pakt" fern.

Scholz teilt auch gegen die AfD aus – "Abbruchkommando"

Der AfD, die aktuell in Umfragen vor der SPD liegt, warf Bundeskanzler Scholz "mutwillige Wohlstandsvernichtung" vor. "Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die selbst ernannte Alternative in Wahrheit ein Abbruchkommando ist", sagte Scholz in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. "Ein Abbruchkommando für unser Land."

So wolle die AfD einen Rückbau der Europäischen Union, obwohl der Wohlstand in Deutschland aufs Engste mit der EU verknüpft sei. Sein Anspruch als Kanzler sei dagegen, Orientierung zu geben sowie "mutige Kompromisse" und "zupackende Arbeit für unser Land" zu machen, sagte Scholz. "So setzen wir denen etwas entgegen, die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache." Dies sei auch sein Anspruch an die Regierungsparteien, "die in den vergangenen Monaten zu viel gestritten haben", so Scholz mit Blick auf die teils heftigen Auseinandersetzungen in der Ampel-Koalition.

Diese Meldung wurde mehrfach aktualisiert

DPA
mkb