Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Ländern, Kommunen und der demokratischen Opposition einen "Deutschland-Pakt" zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen. Alle staatlichen Stellen sollten mehr Tempo und Mut zeigen, um das Land von Grund auf schneller, moderner und sicherer zu gestalten, heißt es in einem Positionspapier zur Generaldebatte am Mittwoch im Bundestag.
"Wir müssen das Bürokratie-Dickicht lichten", so Scholz kurz darauf bei der Generaldebatte im Bundestag. Um Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen, sollen Bund und Länder demnach ein umfassendes Paket an Maßnahmen erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Dazu gehörten eine Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, eine Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Wohnungsbau. Auch Großraum- und Schwertransporte sowie wichtige Straßen- und Schienenprojekte sollen vereinfacht werden.
Das sind die Maßnahmen:
- Weniger Aufwand bei Genehmigungen: Bisher hakt es auch bei der Energiewende daran, dass in Deutschland bei neuen Projekten – zum Beispiel dem Bau von Windrädern – sehr viele Genehmigungen bei unterschiedlichen Behörden einzuholen sind. Nun soll zum Beispiel das allgemeine Verfahrensrecht beschleunigt werden, Baugenehmigungen für mehr Wohnraum sollen einfacher erteilt und Masten fürs schnelle mobile Internet sollen problemlos errichtet werden können.
- Unternehmen weniger belasten: Damit Firmen gerade bei der Umstellung auf mehr Nachhaltigkeit entlastet werden, sollen ihnen zum Beispiel Investitionshilfen angeboten werden. Sie sollen bessere Konditionen bei Abschreibungen erhalten, damit sie weniger Steuern zahlen müssen. Auch die auf die Zukunft gerichtete Forschung und Entwicklung von Unternehmen soll staatlich begünstigt werden. Die Ansiedelung von High-Tech-Produktion – wie etwa von Computerchips – und von Start-Up-Unternehmen soll erleichtert werden.
- Moderne Verwaltung: Die Services von Behörden und Ämter sollen weiter digitalisiert werden – bis Ende 2024 sollen wichtige Dienstleistungen wie Anträge auf einen neuen Führerschein oder Personalausweis oder das Eltern- und Bürgergeld "durchgängig" online möglich sein.
- Mehr Fachkräfte aus dem Ausland anwerben: Das neue Gesetz für eine leichtere Einwanderung von Fachkräften soll nun weiter beschleunigt werden, indem die Verfahren dafür digital ablaufen und nicht an der Bürokratie scheitern. Gleichzeitig soll "irreguläre" Einwanderung besser gesteuert und Abschiebungen sollen schneller durchgeführt werden.
Zum "Deutschland-Pakt" gehört wesentlich die Digitalisierung
Das Onlinezugangsgesetz werde die flächendeckende Digitalisierung vorantreiben. 15 Leistungen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders wichtig seien, sollten bis Ende 2024 digital zur Verfügung stehen. Dazu gehöre die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes. Auch die Anmeldung eines Unternehmens und einer Handwerksgründung sollten online erfolgen können.
Neue Impulse setze der "Deutschland-Pakt" mit dem Wachstumschancen-Gesetz, das ein Volumen von mehr als 32 Milliarden Euro habe, heißt es in dem Papier weiter. Mit dem Klima- und Transformationsfonds werde der Bund Investitionen in klimaneutrale Produktion und die Versorgung Deutschlands und Europas mit strategisch wichtigen Technologien und Rohstoffen sicherstellen.
Zudem müsse es einfacher werden, Start-Ups zu gründen und erfolgreich zu machen. Dazu werde das Zukunftsfinanzierungsgesetz die Rahmenbedingungen für Start-Ups und Wachstumsunternehmen verbessern.
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"Deutschland-Pakt" war einmal ein rechtes Bündnis
Der Begriff "Deutschland-Pakt" ist nicht unbelastet. Unter dem Schlagwort haben rechtsextreme Parteien in Deutschland vor fast 20 Jahren gemeinsame Sache gemacht. Im Jahr 2005 vereinbarten die Parteien NPD und DVU miteinander, bei Wahlen in den Bundesländern nicht zugleich antreten und sich stattdessen gegenseitig unterstützen zu wollen. Kandidaten der einen Partei konnten auf Kandidatenlisten der anderen auftauchen. Damit sollten Wähler und Wählerinnen vom rechten Rand gebündelt werden.
Informell gab es bereits zuvor eine solche Absprache: So trat etwa zur Landtagswahl in Sachsen 2004 nur die NPD an und zog mit ihrem besten Ergebnis von 9,2 Prozent in den Landtag ein. In Brandenburg gelang der DVU 2004 mit 6,1 Prozent der Wiedereinzug ins Parlament. Auch in Kommunalwahlen teilten sich die Parteien auf.

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Im Juni 2009 kündigte die NPD den "Deutschland-Pakt" mit der DVU auf und kündigte an, in der damals bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg selbst antreten zu wollen. Hintergrund der Entscheidung waren damals schwere Zerwürfnisse zwischen den beiden Parteien in dem Bundesland. Die auch rechtsextremen Republikaner wollten mit der NPD aber keine gemeinsame Sache machen und blieben dem "Deutschland-Pakt" fern.
Scholz teilt auch gegen die AfD aus – "Abbruchkommando"
Der AfD, die aktuell in Umfragen vor der SPD liegt, warf Bundeskanzler Scholz "mutwillige Wohlstandsvernichtung" vor. "Die allermeisten Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die selbst ernannte Alternative in Wahrheit ein Abbruchkommando ist", sagte Scholz in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. "Ein Abbruchkommando für unser Land."
So wolle die AfD einen Rückbau der Europäischen Union, obwohl der Wohlstand in Deutschland aufs Engste mit der EU verknüpft sei. Sein Anspruch als Kanzler sei dagegen, Orientierung zu geben sowie "mutige Kompromisse" und "zupackende Arbeit für unser Land" zu machen, sagte Scholz. "So setzen wir denen etwas entgegen, die politischen Profit schlagen wollen aus Abstiegsszenarien und Panikmache." Dies sei auch sein Anspruch an die Regierungsparteien, "die in den vergangenen Monaten zu viel gestritten haben", so Scholz mit Blick auf die teils heftigen Auseinandersetzungen in der Ampel-Koalition.
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