Es war lange eines der großen Tabuthemen im Bundestag. Noch vor sechs Jahren kam es vor, dass sich die Rechtspolitiker von CDU oder SPD überhaupt nicht zu dem Thema äußern wollten, wenn ein Journalist anfragte. Jetzt soll der Missstand endlich behoben und die Bestechung deutscher Parlamentarier umfassender unter Strafe gestellt werden - so wie das eine UN-Konvention seit Dezember 2005 von der Bundesrepublik verlangt. Der CDU-Abgeordnete und Rechtsausschussvorsitzende Siegfried Kauder einigte sich jetzt mit den Fachkollegen der Fraktionen von SPD, Grünen und Linken auf einen Gesetzentwurf, der das Problem angehen soll. Nur die FDP hat noch Bedenken und ist bisher nicht mit im Boot. Das Kleingedruckte ist freilich noch offen, ebenso der Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Laut dem Entwurf machen sich künftig Volksvertreter auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene strafbar, wenn sie "für die Ausübung des Mandats" als Gegenleistung "einen Vorteil für sich oder einen anderen" fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.
Heute ist nur der bloße Stimmenkauf strafbar; künftig soll das auch gelten, wenn ein Abgeordneter sich Vorteile geben lässt, um etwa im Haushaltsausschuss für die Interessen des Gebers zu werben. Bisher waren zweckorientierte Spenden an Abgeordnete außerhalb des Stimmenkaufs zwar auf auf dem Papier verboten, aber nicht strafbar. Polizei und Staatsanwalt konnten bei Verstößen also gar nicht erst aktiv werden. Diese "unfassbare Strafbarkeitslücke", so der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka, würde sich schließen, wenn der Gesetzentwurf in Kraft tritt. Das könne noch vor der Bundestagswahl im September geschafft werden, glaubt Lischka.
"Trauerspiel beendet"
Nun sei ein "Trauerspiel beendet", das dem Ansehen Deutschlands in der Welt und dem Ansehen des Parlaments bei den Bürgern schadete, freute sich der SPD-Politiker. Zuletzt hatten sich neben der FDP vor allem CDU und CSU gesträubt, die Abgeordnetenbestechung umfassender unter Strafe zu stellen. Kauder sagte am Freitag, er habe sich nun "auf den Hosenboden gesetzt" und einen Entwurf erarbeitet, weil es die Bürger schlicht "nicht verstehen" könnten, wenn Parlamentarier sich von Anti-Korruptions-Regeln ausnähmen, die für Amtsträger im öffentlichen Dienst sonst gelten.
Mindestens ein Schlupfloch enthält der Gesetzentwurf allerdings. Wenn es um den Abgeordneten gewährte geldwerte Zuwendungen geht, die "im Einklang mit gesetzlich geregelten Verhaltensregeln" stehen, sollen diese Vorteile auch in Zukunft "nicht rechtswidrig" sein.
Gerade die Verhaltensregeln des Bundestages gelten aber Kritikern als vergleichsweise vage. "In der Sache werden die Probleme und Auslegungsdifferenzen erstmal nur verlagert", kommentierte ein Bundestags-Insider gestern gegenüber stern.de den Gesetzentwurf. Es komme jetzt auf die später zu präzisierenden gesetzlichen Regeln der einzelnen Parlamente in Bund und Ländern an, was Abgeordnete annehmen dürfen und was nicht. Solange das Abgeordnetengesetz da "lückenhaft" bleibe und die Verhaltensregeln unbestimmt, sei "das Verbotene zu unscharf und kaum je nachzuweisen".
In der Vergangenheit hatten sich manche Abgeordnete auch deshalb gegen schärfere Anti-Bestechungsregeln gewehrt, weil sie fürchteten, dass dann bereits üppige Essenseinladungen aus der Industrie kriminalisiert werden könnten. Hier tat sich am Freitag ein interessanter Dissens zwischen Kauder und seinem grünen Parlamentskollegen Jerzy Montag auf. Der CDU-Mann - der nicht wieder für den Bundestag nominiert wurde - plädierte am Freitag auch dafür, die Verhaltensregeln des Bundestages zu überarbeiten. Ob danach noch jede Einladung zu Zehn-Gang-Menüs von Seiten eines Industriekonzerns oder jedwede Einladung zu Fußballspielen zulässig sein könne, müsse überprüft werden. "Unsere Arbeit ist dabei nicht beendet", sagte Kauder.
Der grüne Rechtspolitiker Montag hielt dagegen, dass bestimmte Essenseinladungen zwar vielleicht "despektierlich" oder "unanständig" seien; in den Verhaltensregeln des Bundestages müssen sie aus seiner Sicht aber nicht reguliert werden. Parlamentarier müssten weiter Kontakt mit Bürgern und auch Firmen halten dürfen. Auch SPD-Mann Lischka wandte sich dagegen, "jedes despektierliche Verhalten unter Strafe zu stellen".
Teure Einladungen sollen also möglich bleiben.