Ministerpräsident Horst Seehofer tagte gerade mit dem bayerischen Kabinett, als die Nachricht vom Aufstand der Berliner CSU-Landesgruppe eintraf. Nach immer neuen Angriffen aus München auf die Koalitionspartner war den Bundestagsabgeordneten der Kragen geplatzt: Es herrsche "durchaus Unmut", weil die destruktiven Äußerungen "von nicht zuständigen Politikern aus dem Süden des Landes störend sind", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich am Dienstag in Berlin.
Der Hauskrach entzündete sich an der Gesundheitspolitik. Die FDP will die Kopfpauschale, CSU-Chef Seehofer lehnt sie strikt ab, die CDU ist unschlüssig. Als der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder auch noch die Regierungskommission, die eine Lösung finden soll, für unnötig erklärte, brach sich der Frust der CSU-Bundestagsabgeordneten Bahn. Schließlich müssen sie mit ihren Kollegen von CDU und FDP täglich zusammenarbeiten.
Nachdem CSU-Abgeordnete am Montagabend intern gegen München vom Leder gezogen hatten, trat Friedrich am Dienstag vor die Presse. Es gebe "Unmut über Stimmen und Äußerungen, die wir aus dem Freistaat Bayern hören". Und "wenn diese Stimmen ausschließlich destruktiv sind", erschwere das die Arbeit der CSU in Berlin. Alle 45 CSU-Abgeordneten im Bundestag seien direkt gewählt und verlangten Respekt nicht nur vor ihrer Arbeit, sondern "auch vor unseren Koalitionspartnern FDP und CDU", schimpfte Friedrich.
Söder und die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer könnten "mit einem schnellen Blick in die Verfassung feststellen, dass sie in den Bereichen, zu denen sie sich äußern, überhaupt nicht zuständig sind", watschte Friedrich seine Parteikollegen in München ab. Er sei mit Seehofer einig, "dass wir gemeinsam an einer Verbesserung des Erscheinungsbildes der Koalition arbeiten müssen" und dass die CSU dazu einen konstruktiven Beitrag leisten müsse. Aber von den bayerischen Landesministern habe er noch keinen konstruktiven Ansatz gehört.
Das saß. Seehofer schwieg noch, aber nach der Kabinettssitzung in München trat Söder vor die Presse und keilte zurück. Der relativ neue Landesgruppenchef sei "bisher noch nicht so in den Tiefen der Gesundheitspolitik verankert", spottete er und bot Friedrich Nachhilfe an: Er sei gerne bereit, mit "Informationen und Aufklärung" zu dienen.
Außerdem tue die Landesgruppe zu wenig, um einem Dutzend konstruktiver Gesundheitsinitiativen aus München in Berlin zum Durchbruch zu verhelfen. "Es wäre eine tolle Sache, wenn wir von der Landesgruppe noch stärker unterstützt würden. Da kann man wirklich noch zulegen", gab Söder contra.
Die Kopfpauschale dürfe keinesfalls kommen: Ohne erkennbaren Nutzen Milliarden umzuverteilen und damit jeden zweiten Kassenpatienten zum Sozialempfänger zu machen, sei unvorstellbar. "80 Prozent der Deutschen sind gegen die Kopfpauschale", sagte Söder. "Eine Volkspartei kann nicht gegen das Volk agieren." Hier wäre es schön, "wenn wir mehr konstruktive Unterstützung bekämen von den zuständigen Bundespolitikern", stichelte Söder. Der Landesgruppenchef dürfe auch nicht vergessen, dass die Stärke Bayerns und der CSU auf gemeinsamem Handeln basiere.
Dagegen gab CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller Friedrich Rückendeckung. Das Verhalten einiger Parteifreunde sei "einfach unsäglich", sagte der Bundestagsabgeordnete der "Bild"-Zeitung und griff indirekt auch Seehofer an: "Ich finde es außerdem schäbig, dass aus den eigenen Reihen von einer Kopfpauschale gesprochen wird. Der Begriff ist schlicht falsch. Niemand fordert das, das ist irreführend."

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Bundeskanzlerin Merkel, deren letztes Machtwort ungehört verhallt war, äußerte sich in der CDU/CSU-Fraktionssitzung am Nachmittag nicht zu dem Streit. Nur der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, der CDU-Abgeordnete Jens Spahn, bohrte in der Wunde. "Das letzte, was bürgerliche Wähler wollen, ist der Eindruck einer Wirtshauskeilerei", mahnte er im Berliner "Tagesspiegel" und schloss eine Kopfpauschale nicht aus: Es wäre "unklug, eine mögliche Option von vorneherein auszuschließen."