Große Koalition Alle gegen alle

Die verkorkste Gesundheitsreform hat heftigen Streit in der großen Koalition ausgelöst. Während Kanzlerin Merkel beschwichtigt, ziehen die Wähler ihre Konsequenzen - die Zustimmung zur Regierung ist auf einen Tiefstand gesunken.

Es ist ein Hauen und Stechen: Seitdem die Eckpunkte der Gesundheitsreform feststehen, werfen sich Union, SPD und einzelne Ministerpräsidenten wechselseitig vor, der Regierung das Leben schwer zu machen. CSU-Generalsekretär Markus Söder kritisierte in der "Welt" die Anwürfe aus den Reihen der SPD. Es gelte: "Besser den Mund halten und sich auf die Arbeit konzentrieren". Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff mahnte, die SPD solle zu einem "fairen, partnerschaftlichen Umgang" in der Koalition zurückkehren.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD hingegen wiederholte seine Kritik an Kanzlerin Angela Merkel und warf ihr Führungsschwäche vor. "Wenn man nur herum moderiert und mal dem einen und mal dem anderen nachgibt, kommt nichts Gescheites dabei heraus", sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Kahrs wiederholte auch seine auf Merkel gemünzte Formulierung: "Der Fisch stinkt vom Kopf her."

"Kompromisse gehören zur Politik"

Anlass der Kritik ist die Gesundheitsreform, bei der SPD und Union zunächst eine starke Finanzierung über Steuern angepeilt hatten. Nachdem einige Unions-Ministerpräsidenten sich dagegen ausgesprochen hatten, erklärte Bundeskanzlerin Merkel, dass sie die Steuern nicht weiter erhöhen wolle. Stattdessen soll Anfang 2007 der Krankenkassenbeitrag um 0,5 Prozentpunkte steigen - was die Lohnnebenkosten weiter in die Höhe treibt. Die Lohnnebenkosten gelten als eine Ursache für die anhaltende Arbeitslosigkeit.

Trotz des aktuellen Streits hat sich Bundeskanzlerin Merkel klar zur großen Koalition und der Gesundheitsreform bekannt. "Ich bin sehr optimistisch, dass diese Koalition erfolgreich weiterarbeitet", sagte sie der "Bild". Auf die Frage, ob sie angesichts der kritischen Äußerungen von SPD-Politikern "nicht endlich einmal auf den Tisch hauen" müsste, sagte Merkel: "Ich glaube, von der Kanzlerin wird erwartet, dass sie sich um die wesentlichen Dinge kümmert." Die Regierungschefin unterstrich: "Kompromisse sind Teil der Politik."

Drei Viertel unzufrieden

Die Wähler haben offenbar andere Konsequenzen aus den Querelen gezogen: Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge sind fast drei Viertel der Bundesbürger unzufrieden mit der Regierung. Die große Koalition hat damit schon jetzt ein vergleichbar schlechtes Image wie die rot-grüne Regierung am Ende ihrer Amtszeit. 68 Prozent der Bundesbürger meinen, dass das Kabinett Merkel "auch nicht mehr Probleme als die alte Regierung löst."

Dieser Vertrauensverlust schlägt sich auch in der Sonntagsfrage nieder. Die Union würde laut ARD-Deutschlandtrend nur noch auf 35 Prozent kommen - der niedrigste Wert seit fünf Jahren. Die SPD würde 29 Prozent erreichen, die FDP dagegen zwölf (plus zwei Prozent), Linkspartei und Grüne jeweils zehn Prozent.