Große Koalition Platzeck wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Debatte um die Rente mit 67 stellt den Haussegen in der Großen Koalition derzeit auf eine harte Probe. Die SPD hat die Kritik an ihrem Chef Matthias Platzeck scharf zurückgewiesen. Er selbst will von einem Konflikt nichts wissen.

Die Spannungen in der großen Koalition verschärfen sich angesichts der Debatte um die Rente mit 67. Die SPD-Spitze wies am Dienstag neuerliche Ermahnungen der Union zurück, die mehr Verlässlichkeit beim Koalitionspartner eingefordert hatte und damit vor allem auf den SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck zielte. Platzeck, der Nachbesserungen an den Rentenplänen des Kabinetts verlangt, warf seinerseits CDU und CSU vor, sich nicht an die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zu halten. Er versuchte aber wie offenbar auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem Eindruck eines Konfliktes zwischen ihnen beiden entgegen zu treten. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil äußerte allerdings indirekt Kritik an der CDU-Vorsitzenden. Merkel hatte sich im wochenlangen Koalitionsstreit über die Familienförderung doch noch Forderungen der CSU nach Änderungen an den ursprünglichen Kabinettsplänen angeschlossen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen, mahnte die SPD-Spitze zu Geschlossenheit und Zuverlässigkeit: "Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sollen weiterhin Markenzeichen der neuen Regierungstätigkeit sein." Mit Blick auf Forderungen von SPD-Chef Platzeck nach Nachbesserungen an den zuvor von ihm mit beschlossenen Koalitionsplänen etwa zur Familienförderung und zur Rente mit 67 sagte Röttgen, bislang habe die große Koalition zwar "das alles wieder in den Griff bekommen". Es müsse aber gewährleistet sein, dass gemeinsame Beschlüsse auch umgesetzt werden könnten.

Im CDU-Präsidium hatte auch Merkel sich nach Angaben von Teilnehmern zu Platzecks Verhalten geäußert. Sie erwarte, dass der SPD-Chef auch bei Widerstand in den eigenen Reihen an seinen Positionen festhalte, betonte die CDU-Vorsitzende demnach in der vertraulichen Runde. Platzeck bemühte sich, Darstellungen eines Konfliktes abzuschwächen. Er reagierte auf Berichte, wonach sich die Kanzlerin über ihn beschwert haben soll. "Frau Merkel hat mir heute Mittag in aller Verbundenheit gesagt, dass sie sich gewundert habe, was da gewesen ist. So habe sie das gar nicht gesagt. Ich sage mal, 'sei's drum'."

Debatten um Rentenpläne belasten Koalitionsklima

Röttgen sagte, die Union halte den von Arbeitsminister Franz Müntefering geplanten schnelleren Umstieg auf ein gesetzliches Renteneintrittsalter von 67 Jahren für richtig. CDU und CSU befürworteten, dass Arbeitnehmer weiter ohne Abschläge mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen könnten, wenn sie 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hätten. Die SPD-Forderung nach Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen, die von Platzeck und auch vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck erhoben worden war, führte der CDU-Politiker Röttgen unter anderem auf die bevorstehende Landtagswahl dort am 26. März zurück.

Die koalitionsinternen Konflikte um die Rentenpläne von Vizekanzler Müntefering belasten das Klima im Regierungsbündnis schon länger. In den Spitzen von Union und SPD hatte zunächst Müntefering mit seinem überraschenden Vorstoß Unmut ausgelöst: Unions-Fraktionschef Volker Kauder störte sich zwar weniger am Inhalt der Pläne, warf Müntefering aber vor, sein Vorhaben ohne vorherige Absprachen im Kabinett zur Debatte gestellt zu haben. Der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer lehnte die Pläne inhaltlich ab. Über den Vorstoß kam es auch zum Streit zwischen Müntefering und Platzeck, der später Nachbesserungen an den Plänen des Vizekanzlers verlangte. Die SPD warf angesichts schwacher Umfragewerte wiederum der Union vor, die unpopulären Entscheidungen der SPD zu überlassen.

Platzeck fordert Union zur Vertragstreue auf

Platzeck sagte am Rande einer Sitzung der SPD-Fraktion, seine Partei habe in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie sich auch bei schwierigen Themen strikt an den Koalitionsvertrag halte. "Wer sich da vom Acker machen wollte bei diesen Themen, waren Herr Kauder und Herr Seehofer, niemand von der SPD", sagte er. "Wir sollten zu dem, was wir vereinbart haben, stehen, und das gilt insbesondere für die Kollegen von CDU und CSU."

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nahm Platzeck in Schutz und kritisierte indirekt das Verhalten von Kanzlerin Merkel im zurückliegenden Streit zur Familienförderung. "Ich erinnere an die Atomausstiegsdebatte oder an die Frage, ob Frau Merkel nicht doch eingeknickt ist vor der CSU in Sachen Familienförderung." Er bezeichnete Röttgens Vorgehen als perfide, weil dieser sich im Klaren gewesen sei, dass die SPD während des Staatsaktes für den verstorbenen Altbundespräsidenten Johannes Rau aus Pietät darauf zunächst nicht reagieren würde. Heil räumte aber in der ARD ein, dass die SPD angespannt ihre schwachen Umfragewerte beobachte. Er unterstrich mit Blick auf die Unions-Kritik an Platzeck, die SPD habe mit ihrem Parteivorsitzenden, Vizekanzler Müntefering, Fraktionschef Peter Struck und mit dem stellvertretenden Parteichef Beck eine starke Führung. "Das ist das kraftvolle Viereck der SPD, und das arbeitet gut zusammen." Zuvor hatten führende Sozialdemokraten kritisiert, Platzeck verschaffe der SPD nicht genügend Profil im Vergleich zur Union, die vom Kanzlerbonus profitiere.

Reuters
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