Dass die Grünen eine schwierige Woche hinter sich haben, ist am Samstag beim kleinen Parteitag nicht zu spüren. Im zum Tagungs- und Gastronomiebetrieb umgebauten Wasserwerk in Berlin-Moabit gehen ab und zu allenfalls Wogen der Heiterkeit hoch. Mit dem Ergebnis des Koalitionsstreits wegen der Zuwanderungsverhandlungen mit der Union findet die Partei- und Fraktionsspitze einhellige Zustimmung. Es fällt kein wirklich kritisches Wort. Ein einziger der rund 80 Delegierten enthält sich bei der Abstimmung.
Insbesondere Parteichef Reinhard Bütikofer und der Unterhändler in dem monatelangen Tauziehen mit der Union in den Vermittlungsgremien, Volker Beck, heimsen viel Lob ein. Gewürdigt wird insbesondere der "Paukenschlag", mit dem Bütikofer am Montag das Koalitions-Gezerre um das weitere Schicksal der Verhandlungen ausgelöst hatte. "Das Spiel ist aus. So macht eine Fortsetzung der Gespräche keinen Sinn", hatte der Grünen-Chef gesagt.
Die meisten Grünen sind skeptisch
Die Grünen sind nur bedingt kompromissbereit. Um den Koalitionsfrieden zu retten, willigten sie ein, ein allerletztes Mal mit der Opposition über das Zuwanderungsgesetz zu verhandeln. Spielräume für einen Kompromiss sehen sie eigentlich nicht mehr. Nun soll das Spiel auf anderer Ebene noch einmal angepfiffen werden, und es ist auf vier Wochen begrenzt. Ob Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Oppositions-Spitze noch etwas erreichen kann - das sehen die meisten Grünen skeptisch. In ihrer Resolution haben sie ganz klar gemacht, dass sie über den Angebotsstand vom vergangenen Wochenende in wichtigen Fragen nicht mehr hinausgehen wollen.
Um zu verhindern, dass die Grünen vom Koalitionspartner unter Zugzwang gesetzt werden, formulierte der Länderrat klare Kriterien für eine Einigung bei den Sondierungsgesprächen im Mai. Zum einen müsse das Vermittlungsverfahren vor der Europawahl am 13. Juni beendet sein. Zum anderen dürfe es weitere Verschärfungen beim Ausweisungsrecht zum Zwecke der Terrorabwehr, bei der Abschiebungshaft, dem Asylbewerberleistungsgesetz, dem Staatsbürgerschaftsrecht und beim eigenständigen Aufenthaltsrecht für Ehegatten nicht geben. Außerdem müsse es ein Konzept zur Integration geben. "Hier verläuft die rote Linie, die wir nicht überschreiten", heißt es in der Resolution. Notfalls wird erneut ein Länderrat einberufen, um dies festzustellen.
"Nicht am Nasenring führen lassen"
Umweltminister Jürgen Trittin bekommt viel Beifall für seinen Vorhalt: "Frau Merkel, wir sind bereit, mit Ihnen einen letzten Versuch zu machen." Dieser Versuch sei aber zeitlich und inhaltlich begrenzt. Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck sagt unter großem Beifall, die rot-grüne Koalition dürfe sich "nicht von den Schwarzen am Nasenring führen lassen".
Mit "Bauchgrimmen" blicke Beck den kommenden Verhandlungen mit der Union entgegen. "Viele innovative Punkte des Zuwanderungsgesetzes sind über die Wupper gegangen", bedauerte sie. Deshalb sei es verständlich gewesen, "diesen quälenden Prozess mit einem Paukenschlag zu beenden". Sie rief ihre Parteifreunde zu einer konsequenten Haltung auf. "Wir Grüne dürfen uns nicht zwischen Opposition und SPD zerreiben lassen." In der Resolution wird darauf hingewiesen, dass "unser Koalitionspartner...eine andere Einschätzung bezüglich der Chancen" habe.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Fischer zollt Respekt
Außenminister Joschka Fischer zollt im größeren Zusammenhang der gesamten Partei Respekt - sie sei "hervorragend" in die Verantwortung hineingewachsen, deutsche und europäische Politik mitzugestalten. Seine Bemerkung "Was wären wir Grünen ohne Streit" wirkt wie eine Erinnerung an früher.
Kein Zweifel, die Grünen demonstrieren neues Selbstbewusstsein. Laut Bütikofer ist das auch gut so: "Verzagte gibt es bei der SPD schon viel zu viele", sagt er. So fühlt die Partei sich gut gerüstet für die zahlreichen kommenden Wahlen.
Gute Prognosen für die Europawahl
Für die Europawahl am 13. Juni ist den Grünen in einer Umfrage erstmals ein Wahlergebnis von 13 Prozent prognostiziert worden. Das wäre doppelt so viel wie bei der Wahl vor fünf Jahren und "fast das Maximum dessen, was man erwarten kann", sagte Spitzenkandidatin Rebecca Harms. Auch die Werte für die Landtagswahlen in Ostdeutschland - wo die Partei seit Jahren nicht in den Parlamenten war - sehen aus Parteisicht gut aus.