Grünen-Politiker Ströbele "Die SPD wird umdenken"

Wie geht's in Wiesbaden weiter? Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele will seinen hessischen Parteifreunden nicht reinreden. Aber: Seiner Ansicht nach sollten linke Wahlergebnisse in linke Regierungen münden. Einen Tipp, wohin Roland Koch dann flüchtet, gibt Ströbele im stern.de-Interview auch ab.

Herr Ströbele, wer hat die Landtagswahlen in Hessen gewonnen?

Ganz eindeutig die SPD unter ihrer Spitzenkandidatin.

Die CDU liegt 0,1 Prozentpunkte vor der SPD und behauptet das Gegenteil.

Da täuscht sie sich. Wer ein Viertel der Wählerinnen und Wähler verliert, gewinnt die Wahl nicht. Ein Minus von zwölf Prozent ist eine erhebliche und verdiente Klatsche für Roland Koch.

Viele Kommentatoren sagen, das wichtigste Wahlergebnis sei, dass Koch mit seiner Krawall-Kampagne auf die Nase geflogen ist. Sehen Sie das auch so?

Es ist in der Tat positiv, dass Kochs Kampagne - die ja von der Springer-Presse eine Woche lang mit Schlagzeilen auf der ersten Seite unterstützt wurde - in Hessen nicht gezündet hat. Dafür bin ich den Bürgerinnen und Bürgern in Hessen ungeheuer dankbar.

Auch die Grünen haben in Hessen verloren. Woran lag's?

Das kann ich von Berlin aus schwer beurteilen.

Nun reicht es weder für rot-grün noch für schwarz-gelb. Welche Bündnisse könnten in Hessen geschlossen werden?

Zunächst freue ich mich darüber, dass es weiter linke Mehrheiten in Deutschland gibt. Das ist gut. Und nun gilt es, das umzusetzen - im Sinne der betroffenen Bevölkerungsgruppen, die auf neue Politik hoffen. Wie - das müssen die hessischen Parteien vor Ort entscheiden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sie meinen ein rot-rot-grünes Bündnis. Aber SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hat jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen.

Für eine Zusammenarbeit sollten allein die Inhalten maßgeblich sein. Ber ich sehe, dass sich einige Politiker vor der Wahl festgelegt haben und jetzt nicht sagen können: "Was geht mich mein Geschwätz von gestern an".

Ist die SPD-Strategie, die Linkspartei auszugrenzen, falsch?

Ich gehe davon aus, dass auch die Sozialdemokraten umdenken werden und mit Festlegungen vor der Wahl künftig vorsichtiger werden. 1980 hatte die Berliner SPD vor den Landtagswahlen gesagt: Niemals mit den Grünen. Kurz nach der Wahl saßen wir zusammen.

Wären die Grünen zu einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei bereit?

Die Grünen in den Ländern, darauf legen wir großen Wert, entscheiden das selbst. Die Landesverbände sind da autonom. Was mich persönlich betrifft, so werbe ich schon seit der letzten Bundestagswahl dafür, aus den linken Wahlmehrheiten auch Regierungsmehrheiten zu machen, wenn irgend möglich rot-grün.

Auch über schwarz-gelb-grün, also eine Jamaika-Koalition, wird in Hessen spekuliert.

Dafür sehe ich überhaupt keine Grundlage. Wenn ein Wahlkampf dezidiert gegen die CDU und gegen Roland Koch geführt wird, dann gilt auch nach der Wahl noch die Wahrheit, dass Kochs CDU und grüne Auffassungen zur Schul- und Bildungs, Atom-, Migrations- und Jugendpolitik nicht zusammenpassen.

Wenn sich keiner bewegen will und es bei der Ausgrenzung der Linkspartei bleibt, könnten sich die Parteien auch bei anderen Wahlen wechselseitig schachmatt setzen. Wie groß ist die Gefahr?

Das entscheiden die Wähler. Und ich hoffe, dass sie die Konsequenzen aus den Ergebnissen ziehen und bei den nächsten Wahlen, vor allem im Bund 2009, eine Blockadesituation vermeiden.

Geben Sie einen Tipp ab, was mit Roland Koch passieren wird?

Roland Koch wird sich vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft aus der hessischen Politik verabschieden. Ob er dann hier in Berlin auftaucht oder bei einem Industrieunternehmen, wage ich nicht vorauszusagen.

Aufgrund eines technischen Fehlers stand für einige Stunden eine Vorversion dieses Interviews im Netz. Hier lesen Sie die gültige Fassung. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen

Interview: Lutz Kinkel