Anklage erhoben Nur Barzahlungen, kein Smartphone, nicht googeln: So konspirativ plante Stephan B. den Anschlag von Halle

Halle-Attentäter Stephan B.
Ende eines mörderischen Plans: Stephan B. (in weiß) wurde nach dem Anschlag von Halle am 10. Oktober 2019 unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof gebracht – in Kürze soll der Prozess starten
© Uli Deck / DPA
Der geständige Halle-Attentäter radikalisierte sich im Kinderzimmer bei seiner Mutter und baute Waffen in der Werkstatt seines Vaters. Und niemand will etwas von seinem mörderischen Vorhaben mitbekommen haben. Die Ermittlungen zeigen: Stephan B. legte bei der Planung seiner Wahnsinnstat Wert auf größte Geheimhaltung.

Der wegen des Anschlags in Halle angeklagte rechtsradikale Attentäter Stephan B. ging bei der Vorbereitung seiner Taten äußerst konspirativ vor. Dieses Bild zeichnen die monatelangen Ermittlungen der "Besonderen Aufbauorganisation 'Concordia'", die beim Bundeskriminalamt (BKA) den Fall recherchierte.   

Nach Erkenntnissen der BKA-Ermittler plante B. sein für den 9. Oktober vergangenen Jahres vorgesehenes Massaker in der Synagoge von Halle über Monate hinweg, ohne dass sein Umfeld oder andere etwas davon mitbekommen hätten. 

Halle-Attentäter legte Wert auf Geheimhaltung

Bei seinen Tatvorbereitungen achtete B. streng auf Geheimhaltung. So nutzte er im Internet mehr als ein halbes Dutzend unterschiedlicher E-Mail-Adressen, die meisten davon lauteten auf Phantasienamen. Zwischen den Accounts wechselte er hin und her, um Spuren zu verwischen und Ausspähversuchen der Sicherheitsbehörden zu entgehen.

Die Zahlungen seiner Einkäufe, etwa für seine selbst hergestellten Waffen und Sprengsätze, wickelte Stephan B. wenn möglich in bar ab, damit die Transaktionen nicht nachvollzogen werden konnten. Banken und anderen Zahlungsdienstleistern misstraute er, ebenso Online-Unternehmen. Er vermied das Googeln und Bestellungen bei Internet-Versandhändlern, war nicht in sozialen Netzwerken aktiv. Auch ein Smartphone nutzte er aus Angst vor Überwachung im Alltag nicht. Im Internet kommunizierte der jetzt angeklagte Stephan B. vorwiegend über anonymisierte Chatportale.

Um Waffen und Sprengsätze selbst herzustellen, kaufte B. in Baumärkten ein, besuchte dabei aber immer verschiedene Filialen, um nicht durch die Kombination bestimmter Käufe aufzufallen.

Auch gegenüber seiner Familie legte er Wert auf strengste Geheimhaltung. Die Mutter, in deren Wohnung er im Alter von 27 Jahren immer noch lebte, durfte sein Zimmer über Jahre hinweg nicht betreten, er schloss den Raum immer ab.

Stephan B. bastelte seit Jahren an Waffen

Spätestens ab 2016 soll B. in der Werkstatt des von der Mutter getrennt lebenden Vaters Schusswaffen, Bomben und Brandsätze hergestellt haben. Die Schusswaffen bewahrte B. in seinem Bettkasten in der Wohnung der Mutter auf, die Sprengsätze deponierte er in einem Schrank und in einem Klappsofa bei seinem Vater.  

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sein Anschlagsziel habe er vor der Tat sorgfältig ausgekundschaftet, so B. in einer seiner Vernehmungen gegenüber den Ermittlern. So habe er bei zwei Ausspähungen wenige Wochen vor der Tat mögliche Zugänge zur Synagoge und die Positionen von Überwachungskameras recherchiert, dabei jedoch einen längeren Aufenthalt in der Nähe des Gebäudes vermieden, um keinen Verdacht zu erregen. Über einen Kartendienst im Internet habe er sich die nähere Umgebung angesehen, um nach der Tat bei einer möglichen Flucht nicht in eine Sackgasse zu geraten.  

B. wollte am am 9. Oktober 2019 in der Synagoge von Halle ein Massaker anrichten. Mehr als 50 Menschen waren an jenem Tag in dem Gotteshaus, um Jom Kippur, den höchsten Feiertag im Judentum, zu begehen. Nachdem B. vergeblich versucht hatte, in das Gebäude einzudringen, erschoss er noch in Halle zwei Zufallsopfer. Auf seiner anschließenden Flucht verletzte er mit Schüssen zwei weitere Menschen schwer. Wenig später konnte ihn die Polizei auf einer Bundesstraße bei Zeitz im Süden Sachsen-Anhalts festnehmen.  

Inzwischen hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen Stephan B. erhoben, unter anderem wegen zweifachen Mordes. Der Prozess startet voraussichtlich im Mai oder Juni.

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