Neun Monate sind seit der Landtagswahl in Hessen vergangen. Neun Monate politischer Lähmung. Roland Koch, CDU, ist geschäftsführender Ministerpräsident, hat aber keine eigene Mehrheit. Andrea Ypsilanti, SPD, ist mit dem roten Fähnchen in der Hand gegen die Wand gelaufen. Neun Monate haben die Hessen das Finassieren und Taktieren ihrer "Volksvertreter" erdulden müssen. Das Hickhack um die Studiengebühren. Kochs Weigerung, einen Landeshaushalt einzutüten. Ypsilantis Dauermassage der eigenen Partei. Nun ist es an der Zeit zu sagen: Es reicht! Hört auf! Hessen muss wieder regiert werden!
Denn die Probleme des Landes wurden in der Zwischenzeit nicht kleiner, sondern größer. Die Finanzkrise demoliert Frankfurt am Main, die Kapitale der deutschen Banken. Werden die Kredite knapp, krankt das Rhein-Main-Gebiet, eine der wichtigsten wirtschaftlichen Regionen Deutschlands. Die hessische Landesregierung kann kaum eingreifen, der angebliche Wirtschaftsexperte Roland Koch hat in den neun Jahren seiner Regentschaft einen gigantischen Schuldenberg angehäuft. Schulpolitik, Bildungspolitik, auch die Frage, ob und wie die Flughäfen in Kassel-Calden und Frankfurt ausgebaut werden sollen: All das harrt einer Lösung. Und verdammt noch mal, wofür zahlen wir die Gehälter von Politikern? Dafür, dass sie sich im politischen Sandkasten dauernd mit Förmchen bewerfen?
Die Ampel ist tot
Alle koalitionären Lösungen, die derzeit auf dem Tisch liegen, sind rein theoretischer Natur. Die Grünen, von Koch im Wahlkampf massiv verunglimpft, werden keine Jamaika-Koalition eingehen. Selbst wenn Parteichef Tarek al Wazir das erwägen sollte - seine Basis würde ihm Hochverrat vorwerfen. Die hessische FDP, in geradezu sklavischer Hörigkeit an Roland Koch gebunden, könnte ihrer Klientel auch keinen Seitenwechsel verkaufen. Damit ist die Ampel tot. Eine große Koalition unter der Führung Kochs ist für eine SPD undenkbar, die sich den Slogan "Koch muss weg" auf die politische Haut tätowieren ließ. Dass SPD-Dissident Jürgen Walter und seine Frauen-Combo künftig Koch unterstützen, und ihm zu einer knappen Mehrheit verhelfen, haben sie bereits ausgeschlossen. Kurzum: Alle blockieren alle, rien ne va plus.
Diesen Zustand weiter aufrecht zu erhalten, wäre der nackte machtpolitische Egoismus. Davon ist vor allem die SPD befallen. Neuwahlen wären für sie ein Desaster. Um ein Mikrogramm Glaubwürdigkeit zu bewahren, müsste die SPD mit einer rot-roten Option ins Rennen gehen - was der Berliner Parteizentrale nicht gefallen kann. Außerdem würde sie nach Ypsilantis Crash massive Stimmenverluste einfahren. Viele warme Plätzchen im Landtag wären futsch. Also wird die SPD nicht freiwillig zum Urnengang aufrufen. Die Linkspartei ebenso wenig. Sie hat nicht das staatspolitische Format, um eventuelle Stimmengewinne von Koch in Kauf zu nehmen. Koch braucht aber die Stimmen einer Fraktion aus dem linken Spektrum, um den Landtag auflösen zu können.
Bleiben die Grünen. Deren Parteichef Tarek al Wazir hat am Montag signalisiert, dass er Neuwahlen will. Das ist klug. Wenn es ihm gelingt, den umherfliegenden Trümmern des Ypsilanti-Crashs auszuweichen und sich von der SPD abzugrenzen, könnten die Grünen sogar profitieren. Sie wären die Stimme der Vernunft, der staatspolitischen Räson, die jetzt, in einer für sie selbst riskanten Situation, die Bürger zur Wahl ruft.
Außerdem hätten sie es im Wahlkampf mit einer völlig kaputten SPD zu tun, was die Grünen in den Augen von Wechselwählern attraktiver als zuvor machen könnte. Es ist allerdings entscheidend, dass die Grünen die Karte Neuwahlen rasch spielen. Sie dürfen erst gar nicht, wie die SPD, in den Geruch kommen, sich feige vor dem Wählervotum zu drücken. Am Samstag soll ein kleiner Grünen-Parteitag in Frankfurt über die Option Neuwahlen entscheiden. Dort muss die Basis zustimmen. Hessen braucht Neuwahlen. Jetzt.