Wie redet man eigentlich die Bundeskanzlerin richtig an? Oder einen ehemaligen Kreistagsvorsitzenden? Oder den Regierungschef von Uganda? Zugegeben, Fragen, die viele Bürger selten um den Schlaf bringen, aber einige schon: Bittsteller, Stalker, Mitglieder des Politikbetriebs. Wer also wissen will, ob es "Liebe Angela", "verehrte Bundeskanzlerin" oder "Moin Mutti" heißt, kann das in einem 170 Seiten Kompendium des Bundesinnenministeriums nachschlagen. "Ratgeber für Anreden und Anschriften" heißt das Werk, das sich durch deutsche Detailtiefe auszeichnet: "Landessuperintendentin, Lippische Kirche" (Seite 130), "Mitglied des Landtages Saarland, männlich" (Seite 73), "Ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags im öffentlichen Leben stehend" (Seite 33). Interessant wird es im fortgeschrittenen Stadium des Leitfadens, Seite 114: "Oberste ausländische Repräsentanten, Beispiel Vereinigte Staaten von Amerika".
Hillary Clinton auf dem Weg ins Weiße Haus?
Dort steht als erster Eintrag "Präsidentin", genauer die Anrede "Ihre Exzellenz" oder "hochverehrte Frau Präsidentin". Und das zu einer Zeit in der, sagen wir Hillary Clinton, niemals weiter weg vom Amt des US-Staatsoberhaupts war als 2010, dem Jahr der letzten Überarbeitung des Ratgebers. Und nur wenige Jahre, nachdem ernsthaft die Frage diskutiert wurde, ob Angela Merkel nun Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin genannt werden solle.
Bleibt die Frage: Woher wusste das Bundesinnenministerium schon vor sechs Jahren, dass es möglicherweise einmal eine Frau ins Weiße Haus schaffen könnte? Reine Vorsichtsmaßnahme? Deutsche Gründlichkeit? Geheimdienst-Informationen? Am wahrscheinlichsten aber ist: Als Mitarbeiter der Protokollabteilung spürt man sowas einfach. Und die Tatsache, dass zwar Anreden für eine Bundespräsidentin existieren, jedoch sämtliche Ämter der katholischen Kirche in männlicher Form gehalten werden, lässt nur den Schluss zu, dass die Welt noch sehr, sehr lange auf eine Päpstin warten muss.