Integration à la Stoiber Integrieren oder gehen

Für Edmund Stoiber ist die Lösung des Integrationsproblems ganz einfach: Wer nicht integriert werden will, wird ausgewiesen. Diesen Vorschlag, der auch in den eigenen Reihen für Kopfschütteln sorgt, platzierte er passenderweise in der "Bild"-Zeitung.

Der bayerische SPD-Vorsitzender Ludwig Stiegler ist selten um einen markigen Spruch verlegen. Entsprechend deftig kommentierte er nun die Stoiber-Idee, integrationsunwillige Ausländer kurzerhand abzuschieben, mit den Worten: Sein Vorschlag sei eine "typische kurzatmige Stammtisch-Äußerung", "ein typischer Schnellschuss und heraus kommt Dünnpfiff", sagte der Sozialdemokrat der "Netzeitung".

Edmund Stoiber sagte in der "Bild"-Zeitung, Randalierer müssten ihre Bildungseinrichtung verlassen. Bei gescheiterter Integration müsse der Betroffene ausgewiesen werden. "Sitten wie in der Bronx von New York sind in unserem Land nicht zu akzeptieren", so der bayerische Ministerpräsident.

Deutschpflicht in Bayern

In Bayern sollen Kinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen vom nächsten Schuljahr an nicht mehr in die Regelschule eingeschult werden. Danach müssen ausländische Kinder, die nicht genügend Deutsch sprechen, künftig verpflichtend im Kindergarten einen Sprachkurs machen. Wer danach noch Defizite hat, kommt in eine Sprachlernklasse oder in die Sonderschule. Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, der Freistaat wolle damit auch Konsequenzen aus den Gewaltexzessen an einer Berliner Schule ziehen. Zudem sollten Schulleiter und Lehrkräfte mehr Befugnisse erhalten, die Klassengemeinschaft vor notorischen Störern zu schützen.

Widerspruch erntet CSU-Chef Stoiber auch von der FDP, sowie aus seiner eigenen Partei. Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Idee des bayerischen Ministerpräsidenten "skandalös". 16 Jahre lang hätten die Liberalen der Union nur mühsam Fortschritte in der Integrationspolitik abringen können. Heute tue sie so, als würden Integrationsprobleme erstmals sichtbar. Es nütze aber nichts, auf der einen Seite zu wenig Mittel für Deutschkurse zu streichen und auf der anderen neue Hürden bei der Einbürgerung zu errichten, so die bayerische FDP-Vorsitzende weiter.

Auf Distanz zu Stoibers Vorschlag ging auch der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). "Die einen fordern die Abschaffung der Hauptschule, die andern fordern Abschiebungen und Ausweisungen", sagte er im Westdeutschen Rundfunk. Aber das helfe den vielen Schülern nicht weiter. Richtig sei dagegen, die Eltern in die Pflicht zu nehmen und die Integrationsförderung zu verstärken.

"Fliehkräfte in Deutschland" diskutieren

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte in Berlin eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema Gewalt an Schulen. Die "Fliehkräfte in Deutschland" müssten diskutiert werden, sagte er. Die frühe und individuelle Förderung von Kindern sei nach wie vor der richtige Weg. Auch um die Integration müsse man sich weiter ernsthaft bemühen, besonders um die Sprachförderung.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, wandte sich in Frankfurt am Main seinerseits gegen "absurde Vorschläge für Zwangsmaßnahmen gegen Schüler und junge Menschen mit Migrationshintergrund". Stattdessen forderte er ein gesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen zur Weiterentwicklung des gegliederten Schulwesens ohne Scheuklappen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Als Reaktion auf die Debatte über Gewalt an mehreren Berliner Hauptschulen mit sehr hohem Ausländeranteil will die Unionsfraktion Bundeskanzlerin Angela Merkel nun zudem auffordern, einen Integrationsgipfel einzuberufen.

Zuwanderer-Kindern müssten sich auf Deutsch verständigen können, wenn sie auf die Grundschule kämen, sagte Fraktionschef Volker Kauder. Die Politik müsse auch den Eltern klar machen, dass ihnen etwas abverlangt werde. "Integration ist keine Einbahnstraße", so der CDU-Politiker.

Kauder sagte, an dem Integrationsgipfel sollten Vertreter von Bund und Ländern sowie gesellschaftlicher Gruppen teilnehmen. Das Treffen müsse Ziele zur besseren Integration von Ausländern ausarbeiten und Fristen für ihre Erfüllung setzen. Auch das CDU-Präsidium sprach sich für einen Integrationsgipfel aus. Nach dem Willen der FDP soll sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit dem gesamten Komplex befassen.

Verschärfung des Ausländerechts

In einem Positionspapier fordert die Unionsfraktion unter anderem eine Verschärfung des Ausländerrechts. So sollen die Ausweisung ausländischer Straftäter erleichtert und das Ehegatten-Nachzugsalter erhöht werden.

Voraussetzung einer Einbürgerung soll eine Pflicht-Prüfung von Grundkenntnissen der deutschen Geschichte, Kultur und Rechtsordnung sein. Im Jugendstrafrecht ist von einem Warnarrest die Rede. In der Zuwanderungspolitik spricht sich die Fraktion dafür aus, sich auf die Zuwanderung Qualifizierter zu konzentrieren und wo möglich einen Sprachnachweis bereits vor der Einreise zu verlangen. Die Sanktionen bei der Nicht-Teilnahme an Integrationskursen sollen härter ausfallen als bisher.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters