Die Ermittlungen wegen verschwundener Akten und gelöschter Computerdaten aus dem Bundeskanzleramt zur Amtszeit Helmut Kohls sind eingestellt. Die Bonner Staatsanwaltschaft teilte heute mit, es hätten sich keine Anhaltspunkte für strafbare Handlungen ergeben. Damit sei das Verfahren mangels Tatverdachts einzustellen.
Der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Friedrich Apostel, erklärte, der Verdacht, dass Computerdaten im Kanzleramt in großem Umfang ohne Einverständnis der berechtigten Nutzer gelöscht worden seien, habe sich nicht erhärtet. Zwar habe ein Referatsleiter die Möglichkeit einer zentralen Löschung erwogen, um der neuen Regierung eine Einsicht in politische Konzepte Kohls zu verwehren.
Ermittlungsbehörde: Keine Spurenverwischung
Kanzleramtsminister Friedrich Bohl habe aber entschieden, den Umfang etwaiger Löschungen den einzelnen Abteilungen zu überlassen. "In der Folgezeit sind tatsächlich befugte Löschungen (zentral und dezentral) vorgenommen worden", erklärte die Staatsanwaltschaft. Für darüber hinaus gehende unbefugte Löschungen hätten die Ermittlungen, auch gestützt auf ein Gutachten des Fraunhofer Instituts "keinen zuverlässigen Beleg erbracht".
Fest stehe auch, dass sechs Bände Akten zum Komplex Privatisierung der DDR-Raffinerie Leuna und Akten zu sieben weiteren Privatisierungsvorhaben verloren gegangen seien, berichtete Apostel. Die Ermittlungen hätten aber keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Akten auf Grund einer strafbaren Handlung beseitigt worden sein könnten. Ein Motiv für eine solche Tat sei ohnehin nicht zu erkennen. Denn zu den Akten hätten unter anderem im Bundesministerium der Finanzen Kopien vorgelegen, außerdem habe sie der Untersuchungsausschuss "Treuhand" bereits in Händen gehabt. "Ihr Inhalt war daher bekannt. Eine eventuelle 'Spurenverwischung' war mit der Vernichtung der Akten nicht zu erreichen."
Kohl greift Hirsch scharf an
Gegen die Vernichtung von Aktenmaterial spreche schließlich das Vorhandensein umfänglichen Schriftmaterials mit so genannten kernbereichsrelevantem Inhalt, darunter Schreiben des früheren Lobbyisten Dieter Holzer an das Bundeskanzleramt, erklärte Apostel weiter. Dabei handele es sich um Vorgänge, die auf Grund ihrer gesteigerten politischen Bedeutung unter anderem dem Treuhand-Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt worden seien. "Angesichts der Existenz derartigen Schriftgutes ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen anderes Aktenmaterial vernichtet worden sein soll", beschied die Staatsanwaltschaft.
Nach der Regierungsübernahme durch Gerhard Schröder hatte das Bundeskanzleramt Anzeige gegen Unbekannt wegen der verschwundenen Akten erstattet. Es stützte sich auf Ermittlungen des ehemaligen Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch (FDP).
Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl begrüßte in einer Stellungnahme die Einstellung des Verfahrens. Die Verdächtigungen hätten sich als haltlos erwiesen. Kohl griff insbesondere Hirsch scharf an. Dieser habe sich dafür rächen wollen, "dass ich ihn wegen seiner fehlenden fachlichen und persönlichen Qualifikationen nie mit einem Ministeramt betraute".