Klimadialog Ruf nach Rückkehr der Klimakanzlerin

Klimaschutzverhandlungen sind wie Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Doch langsam wird die Zeit knapp. Nur noch wenige Jahre bleiben, um verheerende Konsequenzen abzuwenden. Deutschland versucht, mit einer Klimakonferenz für Fortschritte zu sorgen.

Die Bilder waren eindrucksvoll: Im roten Anorak warb Angela Merkel vor der Kulisse grönländischer Eisberge für den Kampf gegen den Klimawandel. Die Aufnahmen vom August 2007 wurden zum Symbol für die Klimakanzlerin. Sie hatte sich diesen Titel während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im selben Jahr erworben und nutzte etwa den G8-Gipfel in Heiligendamm, um Klimasündern wie den USA energisch ins Gewissen zu reden.

Doch nach dem Tiefschlag beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen, als die führenden Staats- und Regierungschefs keinen Durchbruch für ein neues Klimaabkommen schafften, wurde es merklich ruhiger um die Klimakanzlerin, während sich die Erde weiter erhitzte. Am Sonntag unternahm Deutschland - wie schon im vergangenen Jahr - den Versuch, mit einem internationalen Klimadialog eines der wichtigsten Themen für die Zukunft der Menschheit wieder etwas voranzubringen.

"Im Kern gibt es dafür nur eine globale Antwort, weil es eine globale Herausforderung ist", betont Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) in dem gläsernen Konferenzzentrum am Brandenburger Tor. Soll heißen: Die EU kann zwar grüner werden, aber das Klima nicht alleine retten. Das Treffen ist weniger konkretes Verhandeln als vielmehr ein atmosphärisches Abtasten. Denn damit soll der UN-Klimagipfel im südafrikanischen Durban (28.11. bis 9.12.2011) vorbereitet werden.

Dialog für den Klimaschutz

An dem Petersberger Klimadialog II, benannt nach dem ersten Treffen 2010 auf dem Bonner Petersberg, nehmen die Klimabeauftragten von rund 35 Staaten teil. Merkel hatte sich nach dem Fiasko von Kopenhagen für den Dialog eingesetzt - aber zuletzt spielte der Klimaschutz bei den großen Gipfeln nur noch eine untergeordnete Rolle.

Fassadenkletterer von Greenpeace erklimmen am Sonntagmorgen die nebenan gelegene Akademie der Künste und entrollen ein Banner, mit dem Sie Merkel zum Handeln auffordern. Sie solle Führung beim internationalen Klimaschutz übernehmen. Die Umweltaktivisten erinnern Merkel an den Slogan von US-Präsident Barack Obama: "Yes you can". Mit Atomausstieg und Energiewende habe Merkel Mut bewiesen, sie müsse nun auch ihr diplomatisches Geschick stärker auf internationaler Ebene einsetzen, um die Klimakehrtwende irgendwie zu schaffen.

Merkel selbst betont, der Welt drohten Hunger, Flüchtlingsströme und Kriege, wenn die Erderwärmung nicht auf zwei Grad begrenzt werden kann. Die bisherigen freiwilligen Maßnahmen für weniger Treibhausgase reichten nicht aus. Aber auch Deutschland kann nicht garantieren, dass es Vorreiter bleibt. Das Ziel von 40 Prozent weniger Emissionen bis 2020 (die EU will 20 Prozent) könnte wegen neuer Kohle- und Gaskraftwerke im Zuge des Atomausstiegs schwierig zu erreichen sein.

Das alles dominierende Problem: Große Klimasünder wie China und die USA wollen sich bisher nicht in verbindliche Maßnahmen einbinden lassen. Dass sie in Berlin dabei sind, wertet Röttgen als sehr gutes Zeichen. Das Kyoto-Protokoll läuft 2012 aus, die Staaten, die sich hier zu verbindlichen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet haben, stehen nur für gut ein Fünftel der weltweiten Emissionen. Und verlängert man es einseitig, könnten etwa die USA die Hände in den Schoß legen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Daher sollen die zwei parallelen Prozesse - das Kyoto-Protokoll und der Klimaschutzprozess mit Nicht-Kyoto-Staaten - möglichst in ein gemeinsames, verbindliches Abkommen münden. Dass dies noch gelingt, daran soll in Durban weiter gearbeitet werden. Mit einem Durchbruch rechnet Röttgen nicht. Sein Motto: "Step by Step". Aber auch die kleinen Schritte, etwa zum Waldschutz oder Klimahilfen für besonders vom Klimawandel getroffenen Staaten, kommen nicht recht voran.

2010 wurden nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) 30,6 Gigatonnen CO2 ausgestoßen - so viel wie nie zuvor. 44 Prozent der Emissionen wurden durch Kohle, etwa zur Stromerzeugung, und 36 Prozent durch Öl verursacht. Laut IEA dürften die Emissionen bis 2020 praktisch nicht mehr steigen, angesichts des Energiehungers und der Motorisierung etwa in China ist das nur schwer zu schaffen.

Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, sieht angesichts der Trippelschritte beim Klimaschutz langsam schwarz. Er hält langfristig eine Erderwärmung um bis zu sechs Grad für möglich, sollte sich bis 2020 nicht Großes tun.

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Georg Ismar, DPA