Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Linkspartei, verbucht es als persönlichen Erfolg, dass Teile von SPD und Grünen die Agenda 2010 entschärfen wollen. Deutschland werde "umso sozialer“, je stärker die Linke sei, sagte Lafontaine der „Leipziger Volkszeitung“. "Die SPD nimmt zur Kenntnis, dass sie mit der Agenda-Politik gescheitert ist. Sie verliert Wähler und Mitglieder. Darauf muss eine Partei reagieren."
Ausdrücklich lobte Lafontaine den SPD-Chef Beck. "Der Streit geht um die politische Richtung der SPD. Beck scheint erkannt zu haben, dass eine Politik zum Scheitern verurteilt ist, die bei der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes älteren Arbeitnehmern eine noch unsozialere Lösung anbietet, als die CDU sie verspricht." Ob Becks Kurskorrektur politisch der SPD oder der Linken nütze, sei für ihn zweitrangig, beteuerte Lafontaine. Wichtig sei nur, dass den Plänen auch ein Parlamentsbeschluss folge. Viele politische Beobachter glauben indes, dass Beck mit dem Abrücken von der Agenda 2010 der SPD einen Bärendienst erweise - unter anderem deshalb, weil er damit die Position der wichtigsten SPD-Minister angreift, darunter Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier. Sie wollen die Agenda 2010 nicht antasten.
Keine Mehrheit in Koalition?
Unterdessen haben auch die Grünen signalisiert, dass sie Korrekturbedarf bei der Agenda 2010 sehen. Parteichefin Claudia Roth sagte am Freitag in der ARD: "Zu sagen, alles ist richtig und es bleibt unverändert, halte ich für falsch. Es ist höchste Zeit, dass die SPD die Debatte führt." Ähnlich hatte sich zuvor bereits ihr Co-Vorsitzender Reinhard Bütikofer geäußert. Fraktionschefin Renate Künast hingegen sagte, die Debatte um das Arbeitslosengeld I sei "eine Rolle rückwärts".
Zweifelhaft bleibt, ob im Parlament eine Änderung der Agenda 2010 durchsetzbar wäre. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sieht - auch mit Blick auf die ablehnende Haltung der drei SPD-Minister - in den Koalitionsfraktionen keine Mehrheit dafür. "In beiden Fraktionen möchte eine Mehrheit die Reformen nicht korrigieren - zumal die, die das wollen, nicht sagen können, wie es zu finanzieren wäre", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Bundesagentur für Arbeit soll zahlen
Die SPD will nach Becks Worten die Reform der Reform mit den Überschüssen der Bundesanstalt für Arbeit finanzieren. Die Kosten dafür beliefen sich auf 800 Millionen Euro, schrieb Beck am Donnerstag an die SPD-Mitglieder. Trotzdem sollten wie geplant zum 1. Januar 2008 die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 3,9 Prozent abgesenkt werden. Die Vorsitzenden der fünf norddeutschen SPD-Verbände - Niedersachsen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein - haben sich in einer Erklärung bereits hinter Beck gestellt.
Die Wirkung, die eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere hätte, ist umstritten. Die Befürworter, zu denen zum Beispiel auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zählt, meinen, die Verlängerung würde eine "gefühlte Gerechtigkeitslücke" schließen. Wer lange in die Arbeitslosenversicherung einzahle, hätte auch Anspruch auf längere Unterstützung. Die Gegner glauben, dass eine Verlängerung die Firmen dazu motiviere, ältere Arbeitnehmer auf Kosten der Allgemeinheit früher in Rente zu schicken.