Die Finanzprobleme einzelner Krankenkassen müssen nach einem vorläufigen Arbeitsentwurf aus dem Gesundheitsministerium vor der im Juli 2008 geplanten Einführung des Gesundheitsfonds gelöst sein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten deshalb 2008 mit Beitragserhöhungen rechnen, hieß es aus Koalitionskreisen. Die Rede ist von einem Satz von bis zu 15,7 Prozent. Bislang geht die Koalition davon aus, dass der Durchschnittssatz von 14,2 Prozent 2007 um 0,5 Punkte steigt. Das Gesundheitsministerium dementiert, dies sei "reine Spekulation", sagte ein Sprecher von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) in Berlin.
Für die Private Krankenversicherung erwartet aber auch das Ministerium selbst drastische Kostensteigerungen. Für junge Leute könnten die Kosten um bis zu 37 Prozent steigen, wie aus einem Arbeitsentwurf des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Hintergrund sind die Pläne, dass die PKV jeden Gutverdiener unabhängig vom Krankheitsrisiko zu einem Standardtarif aufnehmen muss. Zum anderen sollen Privatversicherte beim Wechsel von einem Unternehmen zum anderen ihre Altersrückstellungen mitnehmen dürfen. Beides macht die Privatpolicen deutlich teurer - das Ministerium erwartet für junge Leute in fast allen Tarifen zweistellige Steigerungsraten.
Der Verband der Privaten Krankenversicherung protestierte deshalb lautstark und warnte vor dem Ende der privaten Vollversicherung. Der Gesetzentwurf gehe weit über die Eckpunkte der großen Koalition hinaus, sagte PKV-Direktor Volker Leienbach dem "Tagesspiegel". Ministeriumssprecher Klaus Vater spielte die Bedeutung des Vorentwurfs für das Reformgesetz herunter. Es sei "das allererste Arbeitspapier" und nur der Beginn eines Prozesses.
Entschuldung der Kassengruppen
Der Ministeriumsentwurf, der nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA Basis für weitere Beratungen in der Koalition sein soll, bekräftigt das beschlossene Fondsmodell. Die Kassen sollen einen gesetzlich festgelegten Einheitsbeitrag für jedes Mitglied - plus einen Zuschlag bei vielen Kranken im Versichertenkreis - aus dem Fonds erhalten.
Defizitäre Kassen, die vor allem in der AOK-Struktur zu finden sind, sollen zuvor von Kassen gleicher Art entschuldet werden, wenn sie es nicht aus eigener Kraft schaffen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Montag gesagt: "Wir müssen jetzt schauen, inwieweit es möglich ist, innerhalb der einzelnen Kassengruppen eine Entschuldung hinzubekommen, denn ansonsten ist der Start in den Gesundheitsfonds nicht möglich."
Merkel sagte weiter: "Zu- und Abschläge und der Gesundheitsfonds gehören dann für mich schon zusammen." Falls Kassen mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen, sollen sie einen prozentualen oder pauschalen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben können. Wohlhabende Kassen können Boni ausschütten.
"Zusatzbeitrag ist eine Reserve"
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte davor, der gesetzlichen Krankenversicherung zum geplanten Fondsstart zu wenig Geld zur Verfügung zu stellen. "Eine Umstellung des Systems kann nur erfolgen, wenn der Beitragssatz so hoch ist, dass nicht einzelne Kassen zum Fondsstart Zusatzbeiträge erheben", sagte er der DPA. Eine reine Entschuldung der Kassen reiche nicht, da die verschuldeten Kassen hohe laufende Kosten hätten und somit rasch mehr bräuchten als die Einheitsbeträge aus dem Fonds. "Es ist zwar bitter, dass der Beitragssatz dann vorher stark steigen muss, aber das lässt sich nicht vermeiden", sagte Lauterbach.

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Lauterbach warnte vor einer "murksigen Einführung, bei der das Ding auf Kante kalkuliert wird". Müssten einzelne Kassen gleich Zusatzprämien verlangen, drohe ihnen ein schneller Aderlass an gesunden Versicherten - mit der Folge, dass die verbliebenen Mitglieder noch mehr zusätzlich zahlen müssten. "Der Zusatzbeitrag ist eine Reserve, sie können aber nicht gleich mit dem Reservetank starten", sagte Lauterbach. Der "einzige Weg", weitere Beitragssatzsteigerungen 2008 zu vermeiden, sei, Steuermehreinnahmen in die gesetzliche Krankenversicherung zu leiten.