Einige Millionen Krankenversicherte müssen in den nächsten Wochen mit Zusatzbeiträgen rechnen. Rund ein Dutzend Krankenkassen plane, wegen der angespannten Finanzlage teilweise noch im ersten Quartal einen Zusatzbeitrag von monatlich acht Euro zu erheben, berichtete am Donnerstag die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf Kassenkreise. Dem Bundesversicherungsamt liegen bisher drei Anträge auf Zusatzbeiträge vor, wie ein Sprecher in Bonn sagte. Gesetzliche Kassen können einen Zusatzbeitrag erheben, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen.
Als erste große gesetzliche Krankenkasse kündigte bereits die Deutsche BKK an, demnächst Zusatzbeiträge zu erheben. "Wir wollen in den nächsten Wochen oder Monaten damit loslegen", sagte eine BKK-Sprecherin dem Berliner "Tagesspiegel". Betroffen wären davon rund 750.000 Mitglieder. Ein entsprechender formeller Beschluss könnte bereits am 29. Januar in der Verwaltungsratssitzung fallen. Auch bei der DAK könnte nach Informationen der "FAZ" bald ein derartiger Beschluss fallen.
Versicherte müssen Zusatz alleine zahlen
Von der ersten Welle der Zusatzbeiträge sollen bis zu 20 Prozent des Krankenversicherungsmarktes betroffen sein. Das wären etwa zehn Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hat das Defizit der Kassen für 2010 auf rund 7,8 Milliarden Euro beziffert. Der Spitzenverband der GKV erwartet daher, dass in diesem Jahr viele Kassen Zusatzbeiträge von ihren Versicherten erheben werden, um die Finanzlücken zu schließen. Die Lage der Kassen ist jedoch sehr unterschiedlich. Während einige genügend Rücklagen gebildet haben, ist bei anderen die Lage weitaus problematischer.
Den Zusatzbeitrag müssen Versicherte zusätzlich zum Einheitsbeitrag von derzeit 14,9 Prozent allein zahlen. Er ist auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt, das sind maximal etwa 37 Euro. Bei einer Summe von acht Euro kann der Zusatzbeitrag pauschal von allen Versicherten erhoben werden, bei einer höheren Summe muss nach den Einkommensverhältnissen differenziert werden. Als erste Kasse hatte die Gemeinsame Betriebskrankenkasse in Köln im vergangenen Jahr einen Zusatzbeitrag erhoben.
DGB: Bund könnte Zusatzbeiträge vermeiden
Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sind Zusatzbeiträge "vermeidbar". Die Kassen könnten darauf verzichten, wenn der Bund die Beiträge für die Empfänger von Arbeitslosengeld II von derzeit 125 Euro auf 250 Euro aus Steuermitteln verdoppeln würde, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem "Tagesspiegel". Diese Summe entspreche den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben der Kassen und würde ihnen etwa vier Milliarden Euro zusätzlich einbringen.
Der Sozialverband VdK warnte vor einer einseitigen Belastung der Arbeitnehmer und Rentner durch Zusatzbeiträge. "Ausgerechnet diejenigen, die durch Lohneinbußen und Rentennullrunden ohnehin Kaufkraftverluste hinzunehmen haben, werden durch die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen überproportional belastet", kritisierte Verbandspräsidentin Ulrike Mascher.
Die Linkspartei will sich im Bundestag dafür einsetzen, dass die Zusatzbeiträge "in letzter Sekunde verhindert werden". Dies könne durch einen Steuerzuschuss kurzfristig erreicht werden, erklärte Harald Weinberg, Obmann der Fraktion im Gesundheitsausschuss. Der von der schwarz-gelben Bundesregierung zugesagte zusätzliche Steuerzuschuss von 3,9 Milliarden Euro decke nur das halbe Defizit der gesetzlichen Kassen ab.
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