Am Ende war der Druck wohl doch zu groß: Nach massiven Angriffen aus der Union ist die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) von ihrer Forderung nach einem Kruzifixverbot in öffentlichen Schulen abgerückt. Zusammen mit Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und ihm selbst habe sie am Montag vor der Landtagsfraktion deutlich gemacht, dass "Kreuze an niedersächsischen Schulen erwünscht sind", erklärte Fraktionschef David McAllister in Hannover.
Özkan, die am Dienstag zur ersten muslimischen Ministerin der deutschen Geschichte ernannt werden soll, hatte dem Nachrichtenmagazin "Focus" gesagt: "Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen." Außerdem sprach sich die 38-Jährige in dem Interview für einen EU-Beitritt der Türkei aus. Beide Forderungen widersprechen der offiziellen Position der Union.
McAllister erklärte zum Ergebnis der Fraktionssitzung mit Özkan, das Kreuz sei aus Sicht der CDU ein Symbol der Toleranz auch gegenüber anderen Religionen. "Die über das Wochenende entstandenen Irritationen und Missverständnisse sind damit ausgeräumt."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zwar nicht direkt zu den Forderungen Özkans geäußert. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte aber in Berlin, sie teile die Position der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Diese hatte dem Deutschlandfunk gesagt, Kreuze in den Schulen seien "Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses."
"Interview voreilig gegeben"
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte in Berlin, Özkan habe inzwischen sehr deutlich gemacht, dass sie nicht die Kreuze aus den Klassenzimmern in Niedersachen entfernen wolle. Damit habe sie die Grundlage dafür, in einer Regierung, die sich diesem Grundsatz verpflichtet fühle, mitzuwirken.
Wie die Zeitung "Die Welt" berichtete, entschuldigte sich Özkan vor der Landtagsfraktion für ihre Forderungen. Sie habe das entsprechende Interview voreilig und ohne ausreichende Kenntnisse des Landes Niedersachsen gegeben, sagte sie dem Blatt zufolge, das sich auf einen Sitzungsteilnehmer berief.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte in Berlin, Özkan werde in der CDU schon vor ihrer Vereidigung öffentlich in Frage gestellt. Bei den Christdemokraten sei der kulturelle Wandel nur scheinbar angekommen. Der Migrationsexperte der Grünen, Memet Kilic, erklärte, er unterstütze Özkan in ihrem Anliegen, Kruzifixe aus staatlichen Schulen zu entfernen. Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen, erklärte, Teile der Union befänden sich scheinbar "auf einem Kreuzzug zur Verteidigung der christlich-abendländischen Leitkultur".
Korrektur: Liebe Leser, in einer früheren Fassung des Textes hatten wir geschrieben, David McAllister habe erklärt, Wulff und er selbst hätten Özkan gemeinsam deutlich gemacht, dass Kreuze an niedersächsischen Schulen weiter erwünscht seien. Das hat die CDU inzwischen dementiert. Vielmehr habe McAllister erklärt: „Ministerpräsident Christian Wulff, die designierte Sozialministerin Aygül Özkan und ich haben deutlich gemacht, dass das Niedersächsische Schulgesetz nicht geändert wird und Kreuze an niedersächsischen Schulen erwünscht sind." Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.