Es waren katastrophale Monate für die "Kameraden" vom rechtsextremen Rand. Erst stritten sie sich wie die Kesselflicker um die geplante Fusion von NDP und DVU. Im Januar stoppte das Landgericht München das Vorhaben - nach einer Klage aus DVU-Reihen. Dann gelangten tausende interne E-Mails der NPD an die Presse. Sie dokumentieren das von endlosen Querelen und Finanzknappheit zerrüttete Innenleben der Partei. Als politische Kraft schienen die Rechtsextremen bis auf weiteres auszufallen.
Umso härter arbeiten sie nun an ihrem Comeback, Testfeld ist die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Die Umfragen räumen der NPD Chancen ein, in den Landtag einzuziehen. Aktuell steht die Partei nach einer Infratest-Dimap-Erhebung für die ARD bei 5 Prozent. Würden sie den Einzug schaffen, säße die Partei in drei deutschen Landtagen: Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Die "Achse Dresden-Magdeburg-Schwerin", wie es im braunen Sprachgebrauch heißt, wäre zusammen gebaut.
"Die Gefahr des Einzugs ist höher als bei der letzten Landtagswahl 2006, da die Partei die Menschen wesentlich geschickter anspricht", sagt David Begrich, Rechtsextremismus-Experte des Vereins "Miteinander" in Magdeburg, zu stern.de. Geschickter ansprechen heißt konkret: Keine dumpfen Parolen, keine Hatz auf Ausländer, keine nationalistische Großmannssucht. Sondern ein eher auf die Abstiegsängste der Mittelschicht abgestimmter Wahlkampf - die NPD, die Kümmererpartei. "Arbeit statt Armut" steht zum Beispiel auf den Plakaten, "Zukunft statt Schulschließung". "Die Botschaft ist: Die NPD ist eine bürgernahe, mittelständische Partei, die aktiv und seriös ist", resümiert Begrich. Wie extrem verlogen diese Propaganda ist, zeigt der jüngste Skandal: Ein "Junker Jörg" veröffentlichte in einem NPD-Forum Anleitungen zum Bombenbauen und rief zu Schändungen "linker" Frauen auf. Derzeit wird geprüft, ob sich hinter diesem Pseudonym der sachsen-anhaltinische NPD-Landesvorsitzenden Matthias Heyder verbirgt.
Große Koalition stärkt Ränder
Mit ihrer offiziellen Kampagne stoßen die Rechten in einen politischen Raum vor, den die großen Parteien unbearbeitet lassen. Die beiden Spitzenkandidaten Reiner Haseloff (CDU) und Jens Bullerjahn (SPD) führen einen inhaltsleeren Kuschelwahlkampf, sie treffen sich in der Öffentlichkeit lieber zum gemeinsamen Kochen als zum Streitgespräch. Selbst Wulf Gallert, Chef der Linken, trägt mit seinem betont pragmatischen Auftreten wenig zur Profilschärfung der Parteien bei. Da die SPD bereits ausgeschlossen hat, mit der Linken zu koalieren, sollte Gallert den höheren Stimmenanteil erzielen, läuft alles auf eine Fortsetzung der Großen Koalition hinaus. Diese Aussicht mobilisiert nicht eben die demokratischen Kräfte: Auch in Sachsen-Anhalt bestätigt sich alte politische Erfahrung, dass eine Große Koalition die politischen Ränder stärkt, sowohl links als auch rechts.
Die NPD versucht diesen strukturellen Vorteil mit massivem Werbedruck auszubauen. Jedes Dorf, jeden Marktplatz und fast jeden Laternenmast hat die NPD mit Plakaten markiert. Vor allem im ländlichen Raum, in rechtsextremen Hochburgen wie Halberstadt und im Salzlandkreis, treten die rechten Truppen massiv auf. "Der Umfang, wie die NPD das Land nun zupflastert, hat selbst die Landesregierung unterschätzt und überrascht ", sagt der sachsen-anhaltische Innenminister und oberster Verfassungsschützer des Bundeslandes Holger Hövelmann (SPD) stern.de. Er schätzt, dass der Wahlkampf die Partei mehrere 100.000 Euro kostet. Und wundert sich: "Über solche Mittel verfügt die NPD sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene nicht."
Eine Frage des Geldes
Woher kommt das Geld? Nach eigenen Angaben hat die Partei 56.688 Euro Spenden erhalten. Aber auch hochrangige NPD-Funktionäre ließen mehrere zehntausend Euro springen. Die Familie des mecklenburgischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs beispielsweise überwies den "Kameraden" in Sachsen-Anhalt 25.000 Euro. Jedoch nicht als Almosen, sondern als Kredit, Zinssatz 3,5 Prozent. Woher das restliche Geld für den Wahlkampf kommt, liegt im Dunklen. Die sächsische Landtagsverwaltung hat den Verdacht, dass Fraktionsgelder der sächsischen NPD für den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt missbraucht würden. Der Rechnungshof soll den Sachverhalt prüfen. Würde er sich bestätigen, läge ein Verstoß gegen das Haushaltsgesetz vor, der hohe Strafzahlungen nach sich zöge.
Dass sich die NPD in ein finanzielles Desaster bewegen könnte, ist auch Holger Apfel klar, der sächsischer Fraktionschef ist und zugleich die Kampagne in Sachsen-Anhalt leitet. In den jüngst veröffentlichten E-Mails warnt er vor einer möglichen Wahlschlappe. Sollte diese eintreten, würden die nötigen Steuergelder ausbleiben und die Partei "auf Jahre hinweg keine Sprünge machen" können. Genau diese Situation würde Innenminister Hövelmann gerne schon jetzt herstellen. Er plädiert für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD.