Lohndumping Streit um die Rolle der EU

NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück hat der EU Mitschuld am Lohndumping für osteuropäische Arbeitskräfte in Deutschland gegeben. EU-Industriekommissar Günter Verheugen dagegen spricht von einem hausgemachten Problem.

Streit ums Lohndumping: Während der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück eine Mitschuld der EU am zunehmenden Billiglohn für osteuropäische Arbeitskräfte in Deutschland sieht, spricht der Brüsseler Industriekommissar Günter Verheugen von einem hausgemachten Problem. Bundesfinanzminister Hans Eichel kündigte unterdessen verschärfte Kontrollen dagegen an.

Dienstleistungsrichtlinie im Bundesrat abgelehnt

Steinbrück machte im Gespräch mit "Bild am Sonntag" die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union für das Phänomen verantwortlich. Dass damit jeder EU-Bürger in Deutschland seine Arbeit anbieten könne, "verschärft unsere Probleme", wird der SPD-Politiker zitiert. "Dieser Plan aus Brüssel führt zu Lohndumping und bringt die deutschen Qualitätsstandards ins Wanken", sagte Steinbrück. Es dürfe nicht sein, dass diejenigen mit den niedrigsten Arbeitnehmerrechten, Sozial- und Qualitätsniveaus in Europa den Ton angäben. Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen lehne die Dienstleistungsrichtlinie deshalb in dieser Form im Bundesrat ab, kündigte der Düsseldorfer Regierungschef an.

Der deutsche Vertreter in der EU-Kommission, Verheugen, hält die Billiglohn-Konkurrenz osteuropäischer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik dagegen nicht für die Folge europäischer Regelungen oder der EU-Osterweiterung. "Das Lohndumping, das es gibt, ist ein hausgemachtes Problem", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Indirekt empfahl Verheugen der Bundesregierung und den Tarifparteien die Einführung von Mindestlöhnen.

Mindestlöhne als Gegenmittel

Andere Staaten reagierten auf die Niedriglohn-Konkurrenz mit Mindestlöhnen für die betroffenen Sektoren, "aber die gibt es in Deutschland nun einmal nicht", wird der EU-Kommissar zitiert. Auch die Umsetzung der von der EU eigens gegen Lohndumping erlassenen Entsenderichtlinie liege letztlich "bei den Mitgliedstaaten, also auch bei Deutschland", fügte Verheugen hinzu.

In dem Interview kündigte er zugleich eine "grundlegende Revision" der geplanten EU-Verordnung zur Liberalisierung der europäischen Dienstleistungsmärkte an. Die so genannte Dienstleistungsrichtlinie sei zwar im Kern positiv für Wachstum und Beschäftigung, aber so problematisch ausgestattet, dass es "alle wichtigen Projekte der neuen Kommission überschattet" habe. Inzwischen werde die umstrittene Richtlinie sogar zu einer Gefahr für das Referendum über die EU-Verfassung in Frankreich, argumentierte Verheugen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Eichel will schärfer kontrollieren

Die Finanzminister Eichel unterstehende "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" plant nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" in nächster Zeit massive Kontrollen gegen Lohndumping. Im Mittelpunkt stünden dabei insbesondere auch Schlachthöfe, bei denen über Werksverträge mit Subunternehmen billige Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern beschäftigt werden. Eichel wird von der Zeitung mit den Worten zitiert: "Das sind wir auch den ehrlichen Bürgern und Unternehmen schuldig. Es ist doch unerträglich, was man teilweise von Kontrolleuren hört." Der SPD-Politiker verwies darauf, dass der Bund mit seinen Maßnahmen zur Förderung der legalen Beschäftigung "die Verfolgung der gewerbsmäßigen Schwarzarbeit massiv verstärkt" habe. "Die Branchen mit einem hohen Anteil gering qualifizierter Arbeitnehmer sind hier natürlich besonders anfällig, zum Beispiel die Fleisch verarbeitende Industrie", sagte Eichel und kündigte an: "Da werden wir noch stärker rein gehen."

AP
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