Falls Verteidigungsminister zu Guttenberg allen Ernstes jetzt nach Afghanistan gereist ist, um seinen Soldaten zu erklären, wie er bisher mit der Kundus-Affäre umgegangen ist, wäre er besser in Berlin geblieben. Denn sein Zick-Zack-Kurs in dieser Frage entzieht sich jeder logischen Erklärung. Und was bei zu Guttenberg anfänglich nach einer ehrenwerten Korrektur einer politischen Fehlbewertung des bisher blutigsten Einsatzes der Bundeswehr nach dem Kriege aussah, wird immer mehr zu einem Akt der Selbstbeschädigung.
Der Verteidigungsminister stellte sich wenige Tage nach Amtsantritt zunächst als Opfer des eigenen Hauses dar. Als Minister, den sein Generalinspekteur und sein Staatssekretär in die Falle einer völlig unzutreffenden Interpretation der Tragödie von Kundus hatten laufen lassen. Nur weil sie ihm wichtige Unterlagen des Vorgangs vorenthalten hätten, habe er den Tod von 142 Menschen zunächst verteidigt. Nur deshalb. Und deshalb sei auch die Entlassung von Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert absolut angemessen gewesen. Nichts daran zu deuteln gab es auch am Rauswurf des Amtsvorgängers Franz-Josef Jung, der wichtige Papiere über den Vorfall nicht gelesen haben will. Ein klarer Fall politischer Verantwortungslosigkeit.
Guttenbergs Maßstäbe
Mittlerweile ist diese Verteidigungslinie von zu Guttenberg selbst nachhaltig zerstört worden. Er selbst genügte nicht den Maßstäben, die er anderen in dieser Affäre gesetzt hat. Weshalb hat er denn nun die Bombardierung der Tanklaster am 6. November als militärisch angemessen bezeichnet? Ein Bericht des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), in dem von zivilen Opfern die Rede war, hat ihm schon damals vorgelegen. Hat er ihn nur flüchtig gelesen, vielleicht gar nicht? Oder war er zu diesem Zeitpunkt zur Wahrheit nicht bereit und hat deshalb behauptet, ihm sei nur ein Nato-Bericht vorgelegt worden, nicht aber dieses Papier?
Wie auch immer - schon damals hätte er sich sehr viel gründlicher um Aufklärung bemühen müssen. Denn das IKRK hatte darauf hingewiesen, dass der Angriff mit internationalem Völkerrecht nicht zu vereinbaren sei. Und trotzdem hatte zu Guttenberg per Interview unverzüglich das Gegenteil öffentlich behauptet. Erst etliche Tage später legte er eine 180-Grad-Wende in seiner Beurteilung des Vorgangs hin.
Erklärungsnöte und Ausschuss
Die offenkundigen Erklärungsnöte demontieren den bisherigen Strahlemann der Ministerriege erheblich. Unterm Strich ist er seinen Amtspflichten ebenso wenig gerecht geworden wie der Amtsvorgänger. Dass überdies versucht wird, wichtige Details zur Aufklärung des Vorgangs unter die Tarnkappe eines "streng geheimen" Vorgangs zu stecken, kommt erschwerend hinzu. Wenn zu Guttenberg es vonnöten hält, den Soldaten vor Ort seine Pflichtausübung zu erklären, sollte er dies nicht nur in Afghanistan tun, sondern auch in der Bundesrepublik. Die allererste Adresse für umfassende Auskünfte müsste das Gremium des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein. Dort sollte der deutschen Öffentlichkeit auch endlich erklärt werden, weshalb die KSK-Spezialtruppe der Bundeswehr zu kriegerischen Einsätzen bei einem Unterfangen benötigt wird, das angeblich gar kein "Krieg" ist.