Die Umfrage-Aktion, die es in der 150-jährigen Geschichte der Partei noch nicht gegeben hat, läuft unter der Federführung der Generalsekretärin Andrea Nahles und der Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug, bis zur Bundestagswahl Staatssekretärin im Bundesumweltministerium bei Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel.
Astrid Klug begründete gegenüber stern.de die Aktion: "Die Befragung der Ortsvereine ist die Grundlage für die politische und organisatorische Erneuerung der SPD." Man wolle die Partei nach elf Jahren Regierungsbeteiligung "neu aufstellen". Die Befragung der Ortsvereine, so Klug zu den Genossen draußen im Lande, biete die Gelegenheit, "uns eure Sicht der Dinge kundzutun – offen ehrlich, klar und deutlich."
"Wir beteiligen euch!"
Gabriel selbst appelliert an die Vorsitzenden der Ortsvereine, stark sei die SPD nur, wenn sie geschlossen agiere, miteinander im Kontakt sei und aufeinander höre. Er räumt offen Versäumnisse im Blick zurück ein: "Das war leider nicht immer der Fall." Der neue Parteichef appelliert intensiv an die Basis: "Wir brauchen eure Meinungen, eure Ideen, eure Mitarbeit." Er wolle wissen, so Gabriel zu stern.de, "wo der Schuh drückt.“
Die Ergebnisse der Umfrage werden am 30. Mai in einer bundesweiten Unterbezirks- und Kreisvorsitzenden-Konferenz in der Berliner Parteizentrale diskutiert. Gabriel löst mit der Aktion ein Versprechen ein, das er der Partei auf ihrem jüngsten Parteitag in Leipzig gegeben hatte. "Wir beteiligen euch!" Bestärkt darin hat ihn auch die Tingel-Tour durch die SPD, die er vor diesem Parteitag mit Andrea Nahles absolviert hatte und die ihm nach Ansicht vieler Kenner der SPD sein sehr gute Abschneiden bei der Wahl zum neuen Parteichef eingetragen hat. Bestärkt darin hat ihn auch das positive Echo aus der SPD, das die Parteiführung mit ihrer Umfrage zum Thema Afghanistan erzielt hatte.
SPD-Zentrale kennt den Zustand ihrer Partei nicht
In der SPD-Zentrale räumt man offen ein, über den organisatorischen Zustand der eigenen Partei viel zu wenig zu wissen. Nicht einmal genau bekannt sei, wie viele Ortsvereine es noch gebe, wo Juso-Gruppen existieren oder welche Arbeitsgemeinschaften irgendwo aktiv sind. Ein Insider sagte gegenüber stern.de: "Wird in den Ortsvereinen noch Politik gemacht oder finden dort vor allem Folklore Treffen statt? Wir wissen es nicht." Im übrigen sei es an der Zeit, die SPD der Regierungszeiten an die Arbeit als politische Opposition zu gewöhnen. Zu Regierungszeiten sei die Partei oft auf die Überweisung der Beiträge und das Kleben von Wahlkampfplakaten reduziert worden. "Ansonsten hat man ihnen oft zugerufen: Jetzt haltet aber mal die Schnauze!" Man habe die Basis sehr vernachlässigt, auch in der SPD-Zentrale in Berlin. "Das Gefühl an der Basis ist: Die haben uns elf Jahre lang keinen Deut gefragt."
Der Fragebogen eröffnet den Ortsvereinen viele Chancen, ihre Kritik jetzt in Berlin abzuladen. So wird zum Beispiel danach gefragt: "Was war besonders negativ im Wahlkampf, welche schlechten Erfahrungen habt ihr gemacht?" Abgefragt werden auch die Themen, die für die Partei in den nächsten Jahren besonders wichtig sein sollen. Die SPD will ferner wissen, wo die Basis beim Atomausstieg steht, wie das Bildungssystem verbessert werden soll, wie eine Steuerpolitik aussehen müsste, "die hohe Einkomen und Vermögende stärker als derzeit an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt." Bei jedem Thema soll die Antwort zunächst erfolgen mit Blick darauf, welche Bedeutung es für die Arbeit der Gesamtpartei und des jeweiligen Ortsvereins hat.
Interessant am Rande: Der Fragebogen erkundet sich nicht nach der Akzeptanz der Rente mit 67.