Merkels Kabinett Nominierung Seehofers spaltet Union

Selbst den eigenen Leuten fällt nicht immer nur Gutes zu Horst Seehofer ein: Illoyal sei er, egomanisch und exzentrisch. Nun ist klar, dass der CSU-Vize als Agrarminister nominiert ist. Doch die Personalie löst in der Union Unruhe aus.

Im Kabinett der großen Koalition wird es voraussichtlich einen weiteren Minister geben, der nicht als ausgewiesener Freund von Angela Merkel gilt. Am Montag hat die CSU-Spitze Parteichef Edmund Stoiber Rückendeckung erteilt und Horst Seehofer als neuen Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister nominiert.

Das CSU-Präsidium stimmte dem Personalvorschlag einstimmig zu, hieß es aus Präsidiumskreisen. Mit dem Beschluss in einer Telefonschaltkonferenz gab die Parteispitze ihre formale Zustimmung für das Comeback des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden im Bundeskabinett.

Zuvor war innerhalb der CSU-Landesgruppe Kritik an Seehofer laut geworden. So warf ein namentlich nicht genannter CSU-Bundestagsabgeordneter Seehofer in der "Süddeutschen Zeitung" vor, er sei illoyal und reite "auf der egomanischen Exzentrikwelle". Dass er nun für sein Verhalten belohnt werde, sei in der Landesgruppe auf massive Widerstände gestoßen, berichtete die Zeitung weiter.

Gegen Merkel und gegen die Kopfpauschale

Dabei ist es weniger seine Kompetenz, derentwillen Seehofer bei vielen Unionsleuten umstritten ist, sondern sein Eigensinn und seine Unberechenbarkeit. So trat er im November 2004 als CDU/CSU-Fraktionsvize zurück, weil er sich vehement gegen die von Merkel favorisierte Kopfpauschale in Gesundheitssystem sträubte. Sein damaliger Abtritt wurde sogar in Reihen der SPD bedauert.

Auch im Bundestags-Wahlkampf stellte sich der CSU-Vize teilweise offen gegen die Pläne Merkels. Etwa gegen Vorhaben Paul Kirchhofs eine Einheitssteuer in Höhe von 25 Prozent einzuführen. Zudem bemängelte er das damit verbundene Doppel-Steuerkonzept der Union. Eine Partei könne nicht mit zwei Steuerkonzepten antreten, sagte er vor einigen Monaten.

Die Personalie Seehofer sorgt auch für Ärger innerhalb der CSU sowie zwischen Stoiber und Merkel. Denn mit Stoibers Votum für Seehofer hat er dem langjährigen CSU-Landesgruppenchef Michael Glos eine Absage erteilt, der für das Verteidigungsministerium im Gespräch war. "Ein Affront gegen die Landesgruppe", sagte ein CSU-Bundestagsabgeordneter. "Statt sich eine Hausmacht in Berlin zu schaffen, zettelt Stoiber von Anfang an einen Streit mit der Landesgruppe an."

Viele Abgeordnete sind auf Seehofer schlecht zu sprechen und hätten Glos gern in einem Ministeramt gesehen. Und auch Merkel kann mit dem Landesgruppenchef gut. Sie hatte Glos den Posten des Verteidigungsministers deshalb von sich angeboten und schon eine Zusage in der Tasche.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Genau dieser Umstand lässt nun Edmund Stoiber schäumen. Der bayerische Noch-Ministerpräsident machte nach Informationen am Montagmorgen in einer telefonischen Schaltkonferenz des CSU-Präsidiums deutlich, dass er über Merkels Vorgehen "überrascht" war. Er habe es als "Erschwernis" empfunden, dass Merkel von sich aus den CSU-Landesgruppenvorsitzenden Michael Glos als Verteidigungsminister ins Gespräch gebracht hatte, berichtete ein führendes CSU-Mitglied. "Er hat das als ein Hineinregieren in seine Domäne gesehen." Stoiber habe deutlich gemacht, dass die Entscheidung über die der CSU zustehenden Ministerämter allein Sache der Partei sei.

Wie beschädigt ist Merkel?

Bereits am vergangenen Freitag unkten einige Unions-Leute, dass mit Edmund Stoiber und einem Landwirtschaftsminister Seehofer "zehn Sozialdemokraten" an Merkels Kabinettstisch sitzen würden. Spätestens mit der Nominierung von Seehofer sehen einige in Union die Kanzlerin in spe schon jetzt als beschädigt an. Wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Er hat die Nominierung des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden scharf kritisiert. "Jene, die sich in Opposition zu Frau Merkel befinden, kommen jetzt zum Zuge - die SPD und Seehofer", sagte Ronsöhr der "Mitteldeutschen Zeitung". "Man kann ja Leute einbinden, aber sie müssen sich auch einbinden lassen."

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stellt sich hinter Merkel. Auf die Frage, ob die geplante Aufnahme des CSU-Sozialexperten Horst Seehofer ins Kabinett nicht als Niederlage Merkels zu werten sei, antwortete er im Deutschlandfunk: "Nein, man redet natürlich miteinander, weil es ja eine Koalition geben soll, die auch vier Jahre halten soll." Er sehe auch keinen Stilbruch der CSU. Die sei eine eigenständige Partei: "Und insofern hat sie natürlich auch das Vorschlagsrecht."

DPA · Reuters
Mit Material vom AP/DPA/Reuters