Münchener Sicherheitskonferenz Die goldene Brücke für Onkel Mubarak

Lauscht man den westlichen Movern und Shakern in München, löst sich die Krise in Kairo bald in Wohlgefallen auf, im friedlichen Miteinander mit Amerikas gutem Freund Husni Mubarak. Wie soll das gehen?

Es ist viel passiert an diesem Samstag in München. Rund um den "Bayerischen Hof" haben sich Hillary Clinton, Angela Merkel, der russische Außenminister, der UN-Generalsekretär, unzählige Top-Diplomaten und Experten zu Wort gemeldet und die Situation in Ägypten analysiert. Es hat sich eine gemeinsame Herangehensweise herauskristallisiert, eine Strategie. Der Umschwung in der Region ist gewaltig, heißt es, er ist toll, grandios, die Freiheit bricht sich Bahn. Aber, gemach, gemach, es wird nun einen Prozess hin zur Demokratie geben, vor allem in Ägypten, schrittweise, ohne überstürzte Hast, ohne die mächtigen Eliten zu beschneiden oder zu entehren. Sogar dem Präsidenten Husni Mubarak soll eine goldene Brücke gebaut werden. Und bei alldem geloben USA und EU feierlich, die Ägypter bei der Entwicklung ihrer Demokratie nicht zu bevormunden, aber bei Bedarf gerne zu unterstützen.

Besonders deutlich und formvollendet hat diese Strategie am Samstagabend noch einmal der amerikanische Top-Diplomat Frank Wisner formuliert. Der ist in der vergangenen Woche Barack Obamas Spezialmann für Ägypten gewesen. Der US-Präsident hatte Wisner nach Kairo geschickt, um mit Mubarak und dessen Entourage zu verhandeln. Am Samstag, gerade von Kairo nach New York zurückgekehrt, war Wisner in München per Videoübertragung zugeschaltet. Und der gewiefte Diplomat verdeutlichte noch einmal, wie golden die Brücke ist, die die USA Mubarak zu bauen gedenken. Der sei ein "alter Freund" der USA, der jetzt die enorme Verantwortung habe, sein Land in eine neue Phase zu führen. "Wir zielen auf einen geordneten Übergang ab", wiederholte Wisner Clintons und Merkels Mantra. Die Verantwortung liege "zuerst und vor allem in den Händen von Präsident Mubarak. Seine Rolle bleibt sehr entscheidend." Es wäre ein riesiger Fehler, die amtierende ägyptische Regierung nun zu düpieren, sagte Wisner sinngemäß.

Junge, politische Generation mit Zuversicht in Ägypten

Vielleicht ist diese Art der Reform von oben ein guter Ansatz. Wenn man den ganzen Tag der unisono verkündeten Botschaft der Clintons und Merkels gelauscht hat, hat man am Abend auch tatsächlich das Gefühl, dass es eigentlich gar keinen anderen Weg gibt. Eine konservative Behandlung ohne operativen Eingriff in Ägypten, ohne Schnitt und ohne große Schmerzen, beruhend vor allem auf Selbstheilungskräften, empfiehlt der Westen. Ja, genau, das ist es! Das klingt gut, vor allem wenn einer wie Volker Perthes, einer also, der sich wirklich auskennt in der Region, sagt, er habe noch nie einen solchen Optimismus verspürt wie derzeit. In der arabischen Welt sei eine junge, politische Generation herangewachsen, erläuterte der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bei der Sicherheitskonferenz, gut gebildet, aber wirtschaftlich eben in der Sackgasse. Diese Generation dränge zwar auf Veränderung, auf Mitsprache, auf Chancen, aber laufe keinem Ismen hinterher, keinem Islamismus, keinem Nationalismus. Hier sei eine dritte Kraft entstanden zwischen Islamismus und autoritären Regimen, so Perthes. Nicht Facebook habe die Revolution vorangetrieben, sondern eine Generation, die Facebook benutzt. Auch Perthes mahnt einen ruhigen, überlegten Übergang zur Demokratie in Ägypten an.

Aber ist wirklich alles so einfach? War da nicht etwas? Vor wenigen Tagen noch ritten Anhänger Mubaraks auf Kamelen und Pferden über den Tahrir Platz, schlugen auf Demonstranten ein. Es gab Tote und die zentrale Forderung der Gegner des Regimes war der Abgang des verhassten Präsidenten. Diesen Wünschen erteilte Wisner durch sein Bekenntnis zu Mubarak eine klare Absage, zumindest scheinbar. Ist der vom Westen vorgeschlagenen Wohlfühl-Abgang Mubaraks wirklich das, was die Menschen auf der Straße, was die von Perthes so leidenschaftliche, junge Generation möchte, was sie befriedigt und befriedet? Das klare Bekenntnis der USA zu einem Übergang mit Mubarak weckt jedenfalls Zweifel, ob sich hier nicht ein Raumschiff sehr, sehr weit entfernt hat von dem Objekt und den Objekten seiner Politik, von den Menschen vor Ort. Oder gibt es in Wirklichkeit längst einen Deal Mubaraks mit Washington, der vorsieht, dass der Präsident demnächst doch früher abtritt, freiwillig und in aller Würde? Vorstellbar ist das. Und so bleiben nach diesem Tag in München vor allem zwei Fragen: Setzen die Amerikaner wirklich weiter auf Mubarak? Und: Was wird gefühlt, gedacht und gesagt auf den Straßen von Kairo?