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ARD-Bericht "Ein Mord ist relativ normal" – Entsetzen über Pegida-Reaktionen zum Tod von Walter Lübcke

Pegida-Demonstranten 2016 in Dresden
Pegida-Demonstranten 2016 in Dresden. Inzwischen hat der Zulauf für die fremdenfeindliche Bewegung deutlich abgenommen, der Hass und die Verbitterung jedoch offenbar nicht
© Oliver Killig / DPA
Ja, Pegida gibt es noch – und es hat sich nicht viel geändert in den vergangenen Jahren. Auf den Mord an Walter Lübcke angesprochen, reagieren Anhänger mit Verharmlosungen und Häme.

"Da müssen Sie sich bei Frau Merkel bedanken wegen Lübcke. Sie hat doch den Hass auf die Politiker zu verantworten."

"Ich sehe den Herrn Lübcke als Volksverräter. Wer seinem eigenen Volk empfiehlt auszureisen, wenn ihm die Flüchtlingspolitik nicht passt – das ist für mich ein Volksverräter."

"Die Gefahr geht von links aus zu 99 Prozent"

"Dann ist das ja eigentlich 'ne menschliche Reaktion. Wie es in den Wald reingerufen wird, so schallt es wieder raus."

"Im Vergleich zur linksextremen Gefahr ist ein Mord alle zwei, drei Jahre aus irgendwelchen Hassgründen relativ normal."


Dies sind Reaktionen auf den Mord an an einem Menschen. Es sind Sätze, die fallen, wenn man sich nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auf der fremdenfeindlichen Pegida-Demonstration in Dresden umhört. Genau das hat eine Reporterin des ARD-Magazins "Kontraste" am Montag getan. Sie fragte Teilnehmer nach ihrem Empfinden zu der Gewalttat. Die gezeigten Antworten: eine beklemmende Mischung aus Ausweichen, Verharmlosen, Relativieren, Häme, Schuldzuweisungen. Sogar Verständnis für die Gewalttat wurde zum Ausdruck gebracht.

Kein Innehalten nach Mord an Walter Lübckes 

Zumindest in den ausgestrahlten Sequenzen waren Worte des Bedauerns, Zeichen des Nachdenkens oder ein Innehalten nicht zu hören oder zu sehen.

Die gezeigten Reaktionen der Pegida-Teilnehmer sorgen bundesweit für Entsetzen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) twitterte beispielsweise: "Man erschaudert vor Abgründen." Sein Parteikollege Ruprecht Polenz schrieb: "Eine Minute, in der es einem kalt den Rücken runter läuft." Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach twitterte: "Die Pegida Leute können einem wirklich Angst machen."

Auch Abseits des Politikbetriebes äußern sich in den sozialen Medien Menschen schockiert zu den Äußerungen der Demonstranten. "Widerlich", "Die Enthemmung kennt keine Grenzen mehr", "Beängstigend", das sind nur einige der Reaktionen.

Pegida-Teilnehmer grölen "Lügenpresse"

Trotz der kaltblütigen Ermordung von Walter Lübcke – von einer Mäßigung der AfD-nahen Pegida-Bewegung war nichts zu spüren, wie der "Kontraste"-Bericht weiter zeigt. Stattdessen wurden von der Rednerbühne weiter Menschen verhöhnt und die Masse aufgewiegelt. So bezeichnete Pegida-Gründer Lutz Bachmann die Klimaaktivistin Greta Thunberg als "geistesbehinderte Kröte", wollte aber auf Nachfrage der Reporterin zu dem Lübcke-Mord nicht Stellung beziehen.

Ein anderer Redner peitschte die Demonstranten zu Schmähungen gegen das ARD-Team auf. Pfiffe, "Lügenpresse"- und "Haut ab!"-Rufe schallten den Journalisten entgegen. Der Hass geht weiter. Eine Mitverantwortung für das vergiftete Klima und die Eskalation der Gewalt sieht man offenbar bei den selbsternannten "patriotischen Europäern" nicht, es regiert weiter die Sprache der (Neo-)Nazis.

Tatverdächtiger im Lübcke-Mord widerrief Geständnis

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde am 2. Juni erschossen. Der tatverdächtige Rechtsextremist Stephan E. hatte nach seiner Festnahme die Tat gestanden, sein Geständnis später jedoch widerrufen. Die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass seine bis dahin gemachten, detailreichen Angaben dennoch für ein Gerichtsverfahren verwendbar sind. Bei dem Widerruf des Geständis soll es sich um ein prozesstaktisches Manöver handeln.

Als Motiv soll der mutmaßliche Mörder Ärger über Äußerungen Lübckes auf einer Bürgerversammlung im Jahr 2015 angegeben haben. ("Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen", sagte der Regierungspräsident zur Kritik an der Aufnahme von Flüchtlingen.) Das Opfer erhielt in der Folge wiederholt Morddrohungen aus der rechten Szene.

Hier geht's zu kompletten "Kontraste"-Sendung in der ARD-Mediathek.

Quellen:"Kontraste", Nachrichtenagentur DPA

wue

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